Explosion der Feuerwerksfabrik von Enschede

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schwarze Rauchwolken über Enschede nach der Explosion der Feuerwerksfabrik
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Denkmal für die Feuerwehrleute
Autor: Berteun Damman (I self)


Verlauf

Gegen 15 Uhr erreichte die Feuerwehr ein erster Notruf über ein Feuer auf dem Gelände der Feuerwerksfabrik S.E. Fireworks im nördlich des Enscheder Stadtzentrums gelegenen Stadtteil Roombeek. Zur Bekämpfung des Brandes waren zunächst zwölf Feuerwehrleute mit einem Tanklöschfahrzeug und einer Drehleiter im Einsatz, die erst im Glauben waren, den Brand kurzfristig unter Kontrolle bringen zu können. Da bereits zu diesem Zeitpunkt Feuerwerksraketen in Brand gerieten, in den Himmel schossen und dort explodierten, drängten sich (auch begünstigt durch die Tatsache, dass es sich um einen hochsommerlichen Samstagnachmittag handelte) zahlreiche Schaulustige auf den Straßen, um das ungewöhnliche Schauspiel zu beobachten. Dementsprechend wurde die Szenerie auch von einigen Videofilmern festgehalten.

Gegen 15:30 Uhr kam es auf dem Gelände schließlich zu einer Reihe schwerer Explosionen, die durch in Brand geratene und mit eingelagerten Feuerwerkskörpern gefüllte Container verursacht wurden. Bei den beiden Hauptexplosionen, die im Abstand von circa 60 Sekunden erfolgten, detonierten wahrscheinlich größere Mengen illegal gelagerter sog. Salutbomben, die bei einem Großfeuerwerk reine Blitz- und Detonationseffekte erzielen sollen. Dazu sind sie an Stelle von Schwarzpulver mit Pyrotechnischer Satz#Blitzsatz und Knallsatz (BKS) gefüllt, der eine erheblich größere Sprengkraft besitzt. Die erste Explosion hatte das Äquivalent von ca. 800 kg TNT-Äquivalent, die zweite, viel größere, das von 4.000 bis 5.000 kg TNT. Die vor allem durch die zweite Explosion verursachte Druckwelle war derart stark, dass die aus Stahlbeton konstruierten Gebäude rund um den Explosionsherd bis auf die Grundmauern zerstört wurden, im Umkreis von 1,5 km Entfernung Fensterscheiben zersprangen und Trümmer bis zu 800 m weit flogen. Der Druck der Explosion konnte noch in 60 km Entfernung wahrgenommen werden; die Rauchsäule über Enschede war in bis zu 50 km Entfernung sichtbar. Auch die Infraschall-Messanlagen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe im Bayerischen Wald in rund 625 km Entfernung zu Enschede (IS26) registrierten die Explosionen.

Insgesamt explodierten 177 Tonnen Feuerwerkskörper.
Zusätzliche Schadwirkung wurde durch umherfliegende Feuerwerkskörper erzeugt, die in die Dächer der umliegenden Häuser einschlugen und diese nachfolgend in Brand setzten. Die benachbarte Grolsch|Brauerei Grolsch brannte ebenfalls in vollem Umfang. Das dortige Feuer konnte aber gelöscht werden, bevor es die Kältemittelanlagen erreichte, was die Freisetzung von mehreren Tonnen giftigen Ammoniaks verursacht hätte. Insgesamt war ein Gebiet von rund 5 km² von den Schäden betroffen.Die Brandkatastrophe in Enschede. In: abenteuerwissen.zdf.de.

Beim Einsatz in Enschede unterstützten Rettungsdienste und Feuerwehren aus dem Kreis Borken und anderen Kommunen die niederländischen Kräfte. Allein aus Deutschland waren 200 Einsatzkräfte mit 40 Fahrzeugen sowie acht Rettungshubschrauber im Einsatz.

Zeitachse (GMT +1)

Ereignis Zeitpunkt
Auslösung der Brandmeldeanlage 15:01
Erste Meldung des Feuers durch Passanten 15:02
Das erste Löschfahrzeug erreicht mit vier Mann Besatzung den Einsatzort 15:08
Der erste Rettungswagen trifft am Einsatzort ein 15:16
Das Feuer gilt als unter Kontrolle 15:27
Erster Feuerwerkscontainer explodiert und löst eine Kettenreaktion aus 15:33
Erste große Explosion 15:34
Letzte, verheerende Explosion 15:35
Katastrophenplan tritt in Kraft 16:50


Folgen

Durch die Wirkung der Druckwelle und durch umherfliegende Trümmerteile kamen 23 Menschen ums Leben, darunter auch vier Feuerwehrleute. 947 Personen wurden verletzt.

Über 200 Wohnhäuser/Wohnungen wurden vollständig zerstört und rund 300 als unbewohnbar erklärt; insgesamt wurden rund 1500 Wohnhäuser beschädigt. Als Folge der Zerstörungen wurden 1250 Personen zunächst obdachlos. Der Versicherungsschaden wurde auf eine Milliarde Niederländischer Gulden (rund 454 Millionen Euro) geschätzt.

Die Brauerei Grolsch siedelte sich danach mit einem Neubau am Stadtrand von Enschede an.


strafrechtliche Aufarbeitung

Am 4. März 2002 begann der Prozess wegen Fahrlässige Tötung sowie Verletzung von Umwelt- und Sicherheitsbestimmungen gegen zwei Manager der Pyrotechnik|Feuerwerksfabrik vor dem Gericht (niederländisch: Rechtbank) in Almelo. Am 2. April 2002 erging gegen beide ein Freispruch in Bezug auf die fahrlässige Tötung, aufgrund der Nichteinhaltung von Sicherheitsbestimmungen wurden sie aber zu je sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Die Fabrik besaß zum Beispiel nur eine Lizenz zur Lagerung und Herstellung von Feuerwerk bis zur Gefahrgutklasse 1.3g. Bei einer zur Zeit des Unglücks noch auf See befindlichen Lieferung von Großfeuerwerk aus China wurde jedoch festgestellt, dass die Firma diese Bestimmungen bewusst umgangen hatte. Die Artikel waren als Klasse 1.4g und 1.3g deklariert, waren jedoch mit komplett anderem Material gefüllt worden und wurden nach Tests als Klasse 1.2 und 1.1 (massenexplosionsfähig) eingestuft. Des Weiteren wurden Lagermengen überschritten und elektrische Anlagen nicht vorschriftsmäßig instand gesetzt.

In zweiter Instanz vor dem Berufungsgericht (niederländisch: Gerechtshof) in Arnheim wurden beide Angeklagte am 12. Mai 2003 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Einer der Angeklagten legte hiergegen Revision (Recht) (rechtlich korrekt: Kassatorische Entscheidung; niederländisch: cassatie) vor dem Hoher Rat der Niederlande (niederländisch: Hoge Raad der Nederlanden) in Den Haag ein, die allerdings am 1. Februar 2005 zurückgewiesen wurde.

Am 22. August 2002 wurde der der Brandstiftung verdächtigte André de Vries von der Rechtbank Almelo zunächst zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. In zweiter Instanz wurde de Vries jedoch aus Mangel an Beweisen vom Gerechtshof Arnheim am 12. Mai 2003 freigesprochen. Danach klagte de Vries gegen den niederländischen Staat auf Haftentschädigung in Höhe von einer Million Euro.


rechtliche Verschärfungen

Schon kurze Zeit nach dem Unglück von Enschede wurde auf europäischer Ebene angeregt, die Bestimmungen für den Umgang und die Lagerung von Sprengstoff zu verschärfen. mündeten dann in der Änderung der Richtlinie 96/82/EG (Seveso-II-Richtlinie), die zum 31. Dezember 2003 in Kraft trat.

Ebenfalls als Konsequenz aus den Geschehnissen in Enschede
Das 2. SprengÄndG trat am 5. September 2002 in Kraft.


Verbesserung des Katastrophenschutzes

Um für zukünftige Unglücksfälle ähnlichen Ausmaßes gewappnet zu sein, wurden im Grenzgebiet zahlreiche Verbesserungen am gemeinsamen Katastrophenschutz vorgenommen. Kernelement ist dabei ein grenzüberschreitender Gefahrenabwehrplan, an dem die deutschen Landkreise Landkreis Grafschaft Bentheim und Kreis Borken sowie die niederländischen Regionen Twente und Achterhoek beteiligt sind und der von der Euregio (deutsch-niederländischer Kommunalverband) gefördert wurde.


Weblinks


weitere Schwarzpulverexplosionsunglücke:

  • Delfter Donnerschlag
  • Bremer Pulvertürme
  • Pulverturm (Mainz)
  • Kolding#Feuerwerksunfall in Seest| Feuerwerksunfall in Seest



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