Stickoxide

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Stickoxide, Stickstoffoxide und nitrose Gase sind Sammelbezeichnungen für die gasförmigen Oxide des Stickstoffs. Sie werden auch mit NOx abgekürzt, da es aufgrund der vielen Oxidationsstufen des Stickstoffs mehrere Stickstoff-Sauerstoff-Verbindungen gibt.
Teilweise wird die Abkürzung NOx (NOX) auch synonym für die nitrosen Gase verwendet, welche bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe entstehen.


Differenzierung zwischen Stickoxiden, Stickstoffoxiden und nitrosen Gasen

Stickstoffoxide und Stickoxide sind Synonyme für die Sauerstoffverbindungen des Stickstoffs. Nitrose Gase entstehen unter anderem bei der Reaktion von Salpetersäure (HNO3) mit organischen Stoffen oder Metallen. So entstehen bei der Reaktion von Salpetersäure mit Silber und Kupfer große Mengen NOx. Eine der Hauptquellen für Stickoxide in der Atmosphäre sind Abgase, die bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe, wie beispielsweise Kohle oder Öl, entstehen. In Europa werden mehr als 50 %, in einigen Städten bis zu 75 % der NOx-Emissionen durch den Verkehr verursacht.


Bildung und Eigenschaften

Die Stickstoffoxide bilden sich aus den Elementen ausnahmslos durch endotherme Reaktionen, das heißt, sie bilden sich aus den Elementen nur unter äußerem Zwang (Energiezufuhr). Dies bedingt andererseits ihre technische Verwendbarkeit als Oxidationsmittel (zum Beispiel Distickstofftetroxid in der Raketentechnik, oder Lachgas (N2O) für Atomspektroskopie|heiße Flammen). Mit Ausnahme des Lachgases verhalten sie sich gegenüber Wasser (beispielsweise in der Atmosphäre) als Säurebildner. Unter anderem wegen dieser Säurebildung (auf den Schleimhäuten) wirken sie reizend und giftig. Damit zogen sie (mit Ausnahme des Lachgases) schon frühzeitig eine umweltpolitische Aufmerksamkeit auf sich. Lachgas hat einerseits Narkosemittel und technische Anwendungen, andererseits wird es bei technischen und landwirtschaftlichen Prozessen unbeabsichtigt in die Atmosphäre abgegeben. Dort wirkt es als Treibhausgas und Ozonloch|Ozonkiller (siehe Distickstoffmonoxid|Lachgas).

Stickstoffmonoxid tritt im menschlichen Körper als Botenstoff auf und findet in der Behandlung unter anderem von Angina Pectoris Anwendung.

Distickstofftrioxid ist in kondensierter Form (−21 °C) tiefblau und in fester Form (−102 °C) blassblau gefärbt. Bei Temperaturen oberhalb 0 °C zerfällt die Verbindung in Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid.

Formal können auch das Trinitramid (N(NO2)3 oder N4O6), das Nitrylazid (O2N–N3 oder N4O2) und das Nitrosylazid (ON–N3 oder N4O) den Stickstoffoxiden zugeordnet werden. Die Verbindungen sind äußerst instabil. Trinitramid<ref>Rahm, M.; Dvinskikh, S.V.; Furo, I.; Brinck, T.: Experimental Detection of Trinitramide, N(NO3)3 in Angew. Chem. 123 (2011) 1177–1180, und Nitrylazid konnten bisher nur in Lösung hergestellt und nachgewiesen werden. Nitrosylazid existiert unterhalb von −50 °C als schwach gelber Feststoff. Weiterhin existieren noch das nur unterhalb von –142 °C beständige, radikalische Stickstofftrioxid (NO3, weiß), das auch in einer isomeren Peroxid-Form vorkommt, sowie das Dimer Distickstoffhexoxid.

Oxidationsstufe von N Summenformel Bezeichnung
+0,5 N4O Nitrosylazid
+1 N2O Distickstoffmonoxid (Lachgas)
+1 N4O2 Nitrylazid
+2 NO Stickstoffmonoxid
+3 N2O3 Distickstofftrioxid
+3 N4O6 Trinitramid
+4 NO2 Stickstoffdioxid
+4 N2O4 Distickstofftetroxid
+5 N2O5 Distickstoffpentoxid

Die typisch rotbraune Farbe der nitrosen Gase wird im Wesentlichen durch das Stickstoffdioxid (NO2) hervorgerufen. Nitrose Gase haben einen charakteristischen stechenden Geruch und können mit Verzögerung von mehr als 24 Stunden nach dem Einatmen noch zu einem Lungenödem führen. Bei Männern kann zudem Impotenz bei häufigerem Einatmen als Spätfolge eintreten.


Auswirkungen von Stickoxiden

Stickoxide, insbesondere Stickstoffdioxid, reizen und schädigen die Atmungsorgane. Erhöhte Konzentrationen in der Atemluft haben einen negativen Effekt auf die Lungenfunktion von Kindern und Erwachsenen. Sie sind maßgeblich für die Entstehung des Saurer Regen mitverantwortlich, wobei Salpetersäure (HNO3) durch Reaktion von (2 NO2 + H2O → Salpetersäure|HNO3 + HNO2|HNO2) oder durch Aufnahme von N2O5 in Aerosolpartikel und nachfolgender Bildung von NO3 in der flüssigen Phase entsteht.

Bodennahe Stickoxide sind beim sogenannten Smog|Sommersmog verantwortlich für die Ozonbildung (O3) unter Einfluss von UV-Strahlung.

Beim Transport der Schadstoffe von den Emissionszentren weg wandelt sich das NO zunehmend in NO2 um, wodurch die Bildungsreaktion von Ozon (1) beschleunigt und die Abbaureaktion (2) reduziert wird. Entsprechend können in ländlicheren Gebieten höhere Ozonwerte gemessen werden als in den Städten.

Außerdem sind sie klimawirksam und verstärken die Erderwärmung. Insbesondere Lachgas (N2O) ist ein Treibhausgas, dessen Treibhauswirksamkeit bei einem Zeithorizont von 100 Jahren 298-mal so groß ist wie die von CO2.

Lachgas trägt in einem hohem Ausmaß indirekt zum Ozonloch|Ozonabbau in der Stratosphäre bei. Es wird durch UV-Stahlung photolysiert und bildet dabei NO, welches entsprechend der Gleichung (2) wiederum Ozon abbaut.


in der Feuerung

Stickoxide werden in der Regel entsprechend ihrer Quellen und ihres Bildungsmechanismus in 3 Arten unterteilt:

  • thermisches NOx
  • Brennstoff- oder fuel-NOx
  • promptes NOx

Die in diesem Zusammenhang erwähnten „NOx“ setzen sich in der Feuerung zu etwa 95 % NO und 5 % NO2 zusammen.

Mit Hilfe der Reaktionskinetik lässt sich die Änderung der Konzentrationen des NOx beschreiben. Hierbei sind letztlich die Konzentrationen von N2 und O als auch die Temperatur maßgebliche Einflussfaktoren:


Der Exponentialterm ist der Ansatz über die Arrhenius-Gleichung, cN2 und cO sind die Konzentrationen von N2 und O zum jeweiligen Zeitpunkt.


Thermisches

Die Bezeichnung „thermisch“ bezieht sich auf die relativ hohen Temperaturen, die zur Initiierung der Bildungsreaktion des thermischen NOx über N2 benötigt werden. Die Stickstoffquelle des thermischen NOx ist der in der Verbrennungsluft vorhandene Stickstoff, der zur Oxidation des N2 nötige Sauerstoff entstammt ebenfalls der Verbrennungsluft. Zeldovich beschreibt die Entstehung in zwei beziehungsweise drei Schritten, das Schema ist als einfacher beziehungsweise erweiterter „Zeldovich-Mechanismus“ bekannt.


Mit der Bildung von thermischem NOx ist bei Verbrennungstemperaturen ab etwa 1000 °C zu rechnen, die Bildungsrate nimmt mit der Temperatur exponentiell zu. Unterhalb dominiert bei stickstoffhaltigen Brennstoffen das so genannte „Brennstoff-NOx“ oder „fuel-NOx“. Ebenso haben der angebotene Sauerstoff und die Verweilzeit (technischer Prozess) der Reaktionspartner in der Verbrennungszone einen Einfluss auf die NOx-Entstehungsrate. Untersuchungen zur Stickoxidbildung am Lichtbogenofen belegen, dass neben den technischen Verbrennungsprozessen fossiler Brennstoffe wie Erdöl oder Erdgas auch O2/N2-Plasmen gute Bildungsbedingungen für Stickoxide aufweisen.


Brennstoff

Quelle dieser NOx-Art sind die im Brennstoff gebundenen Anteile an Stickstoff, die während der Verbrennung in NOx umgesetzt werden. Die mitgeführte Menge an Stickstoff ist stark brennstoffabhängig, dementsprechend variieren auch die durch die Verbrennung entstehenden Anteile von thermischem und Brennstoff-NOx im Rauchgas.

Einige Beispiele sind (Anteile in %):

Brennstoff therm. NOx BS-NOx aus flüchtigen
Bestandteilen
BS-NOx
aus Koks
Prompt-NOx
Diesel/Benzin
Innermotorisch
90–95 5–10
Gas 100
Schweröl 40–60 60–40
Steinkohle
Trockenfeuerung
10–30 50–70 20–30
Steinkohle
Schmelzfeuerung
40–60 30–40 10–20
Braunkohle <10 >80 <10

Man unterscheidet bei festen Brennstoffen zwei Arten der Stickstofffreisetzung. Die homogene Freisetzung beschreibt die Ausgasung des im Brennstoff gebundenen Stickstoffs mit den flüchtigen Bestandteilen während die heterogene den Abbrand des Restkoks beschreibt.

Wesentliche Quelle für Brennstoff-NOx sind die flüchtigen Bestandteile des Brennstoffes.

Brennstoff-NOx entsteht ab Temperaturen um etwa 800 °C vorwiegend in den Flammenfronten der Feuerungsanlagen. Hierbei durchläuft der mitgeführte Brennstoff mehrere Reaktionsschritte, die über Cyanwasserstoff|Blausäure (HCN) und Hydrazin (NHn) zu NO und N2 führen. N2 und NO können mit Kohlenwasserstoff-Radikalen (CHn) eine Rückreaktion zu HCN durchlaufen („Reburning“) und hierbei wieder zu NO oder aber zu molekularem Stickstoff (N2) umsetzen. Dadurch erhöht sich in der Summe die Menge an molekularem Stickstoff. Diesen Effekt macht man sich in der so genannten „Brennstoff-Stufung“, einer primären Schadstoff-Minderungsmaßnahme, zu Nutze.


Statt der Umsetzung zu N2 kann die Reaktion der Brennstoffradikale (CHn) mit N2 wieder zur Bildung von NOx führen. Diesen Anteil an entstandenem NOx bezeichnet man als „promptes“ NOx und ist auch als „Fenimore-Mechanismus“ bekannt.

Wesentlicher Einflussfaktor sind die entstehenden Kohlenwasserstoff-Radikale, die als Zwischenprodukte der Verbrennung kohlenstoffhaltiger fossiler Brennstoffe vorliegen. Deren Bildungsmechanismen sind äußerst komplex und bisher noch nicht vollständig erfasst und verstanden.
Promptes NOx entsteht in sehr schnellen Bildungsreaktionen in vergleichbar geringen Mengen und ist im Vergleich zum thermischen NOx kaum temperaturabhängig, wenngleich der Anteil mit steigender Temperatur zunimmt.


Minderung

In den Kraftwerken gibt es verschiedene Möglichkeiten der NOx-Minderung.

Die Primärmaßnahmen betreffen den Feuerungsprozess und verhindern die Entstehung von NOx. Dazu gehören Rauchgasentstickung|Luftstufung, Rauchgasentstickung|Brennstoffstufung, interne Abgasrückführung, externe Abgasrückführung, Primäradditivierung, sowie Quenchen (Chemie) (Eindüsung von Wasser zur Temperatur-Minderung).

Die Sekundärmaßnahmen mindern das NOx im Abgas durch katalytische (SCR-Verfahren) oder nichtkatalytische (SNCR-Verfahren) Reduktion zu elementarem Stickstoff. Auch für die Abgase von Kraftfahrzeugen kommen die Abgasreinigung|katalytische Abgasreinigung zum Einsatz. Hauptprodukte der dargestellten Reduktionsmaßnahmen sind elementarer Stickstoff, wie er zu ca. 78 Vol.-% in der Luft vorkommt, sowie Wasser. Als Nebenreaktionen können geringe Mengen an Distickstoffmonoxid|Lachgas entstehen. Bei den katalytischen Sekundärmaßnahmen können außerdem geringe Mengen an Ammoniak entweichen (NH3-Schlupf).


siehe auch:


Literatur

  • Helmut Effenberger: Dampferzeugung. Springer-Verlag, ISBN 3-540-64175-0.
  • J. Warnatz, U. Maas, R. W. Dibble: Verbrennung. 3. Auflage, Springer-Verlag, ISBN 3-540-42128-9.
  • G.P. Merker, G. Stiesch: Technische Verbrennung Motorische Verbrennung. B. G. Teubner Verlag, Stuttgart, ISBN 3-519-06381-6.


Aufsätze

  • Erich Fitzer, Dieter Siegel: Stickoxid-Emissionen industrieller Feuerungsanlagen in Abhängigkeit von den Betriebsbedingungen. In: Chemie Ingenieur Technik. Nr. 47(13), 1975 ISSN|0009-286X, S. 571.
  • Rainer Römer, Wolfgang Leckel, Alfred Stöckel, Gerd Hemmer: Beeinflussung der Stickoxid-Bildung aus brennstoffgebundenem Stickstoff durch feuerungstechnische Maßnahmen. In: Chemie Ingenieur Technik. Nr. 53(2), 1981, ISSN|0009-286X, S. 128–129.
  • Heinrich Wilhelm Gudenau, Klaus E. Herforth: Stickoxid-Bildung bei der Umsetzung fester Brennstoffe in verschiedenen Gasmedien. In: Chemie Ingenieur Technik. Nr. 53(9), 1981, ISSN|0009-286X, S. 742–743.
  • Manfred Schrod, Joachim Semel, Rudolf Steiner: Verfahren zur Minderung von NOx-Emissionen in Rauchgasen. In: Chemie Ingenieur Technik. Nr. 57(9), 1985, ISSN|0009-286X, S. 717–727.
  • Hans-Georg Schäfer, Fred N. Riedel: Über die Bildung von Stickoxiden in Großfeuerungsanlagen, deren Einfluß auf die Umwelt, ihre Verminderung sowie ihre Entfernung aus den Abgasen der Kraftwerke. In: Chemiker-Zeitung. Nr. 113(2), 1989, ISSN|0009-2894, S. 65–72.
  • Ulrich Förstermann: Stickoxid (NO): Umweltgift und körpereigener Botenstoff. In: Biologie in unserer Zeit. Nr. 24(2), 1994, ISSN|0045-205X, S. 62–69.




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