Wohnhausbrand mit schwerwiegenden Folgen

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Thermische Auswirkungen auf den menschlichen Körper aus der Sicht eines Brandermittlers


Luftaufnahme des abgebrannten Wohnhauses

1. Brandgeschehen

An einem Sonntagnachmittag (Februar 2001) kam es in einer kleinen Dorfgemeinde zu einem tragischen Brand. In einem vom Dorf etwas abseits gelegenen, alten Wohnhaus geriet das Wohnzimmer in Brand und das Feuer griff auf das gesamte Gebäude über. Das aus Ziegelsteinen errichtete Gebäude wurde zuvor alleine von einer älteren Frau bewohnt, die in den Flammen um’ s Leben kam. Bis über diese Tatsache traurige Gewissheit erlangt war, wurde von allen Beteiligten, wie Feuerwehrleuten, Kriminalisten und Helfern des Technischen Hilfswerkes, eine gehörige Portion konzentrierte Arbeit abverlangt. An dem Wohnhaus ist durch Flammen, Rauch und Löschwasser ein Totalschaden eingetreten, welcher mit etwa 70.000,- € beziffert wurde. Inzwischen, einige Jahre sind vergangen, ist das Wohnhaus längst abgerissen; es steht sogar ein neues, modernes Wohnhaus. Nichts erinnert mehr an das tragische Geschehen…


2. Ermittlungsablauf

Das Feuer wurde durch Anwohner am Nachmittag bemerkt, die sofort Löschversuche unternahmen, die jedoch erfolglos blieben. Die örtliche Freiwillige Feuerwehr war alleine mit der Brandbekämpfung überfordert, so dass mehrere der umliegenden Wehren zur Unterstützung herbeigerufen wurden. Benachbarte Wohnhäuser waren nicht in Gefahr, aber die Feuerwehren konnten einen Totalschaden am Gebäude nicht verhindern. Die Bewohnerin konnte nicht gerettet oder geborgen werden, denn sie wurde in dem Haus und im direkten und weiteren Wohnumfeld nicht gefunden. Es wurden nun erste örtliche Suchmaßnahmen eingeleitet, während zeitgleich die Untersuchung der Brandstelle erfolgte, woraus sich wohl durchdachte Koordinierungsmaßnahmen erforderlich machten. Nach der Brandortarbeit am Sonntagabend, stand jedoch weder eine Brandursache fest, noch ergaben sich Hinweise auf den Verbleib der Bewohnerin. Deshalb fuhren am nächsten Tag mehrere Brandursachenermittler der Polizei an den Unglücksort. Wiederum standen zwei Schwerpunkte auf der Tagesordnung. Die Suche nach der Bewohnerin hatte oberste Priorität. Die Fahndung wurde im unmittelbaren Umfeld des Wohnhauses koordiniert und schrittweise erweitert. Hierbei gelangten Bereitschaftspolizisten mit einem Suchhund sowie ein Polizeihubschrauber zum Einsatz. Es wurden umstehende, leere Gebäude und die Umgebung aus der Luft abgesucht. Aber diese Maßnahmen, sowie Befragungen unter den Dorfbewohnern, erbrachten auch am zweiten Tag keinen Erfolg.

Es wird das kleine Wohnhaus mit Eingangstür dargestellt; das Küchenfenster ist rechts.

Unterdessen wurde der Brandort noch einmal gründlich untersucht, wobei es vom Vortage schon Veränderungen gab. Es war bereits jede Menge Brandschutt durchsucht, also bewegt worden. Die Konzentration lag auf dem Wohnzimmer, in dem das Feuer ausgebrochen war. Die Suche wurde nun auf die angrenzende Küche erweitert. Nach Abschluss dieses umfangreichen Tagespensums waren der bereits durchsuchte Brandschutt und noch nicht berührte Brandbereiche intensiv nach menschlichen Überresten und Brandspuren durchforstet worden. Hinsichtlich des Brandausbruchsbereiches rundete sich das Bild ab, während über die möglichen Ursachen des Feuers noch spekuliert wurde. Aber die Bewohnerin konnte weder außerhalb noch im Haus gefunden werden. Somit ging der zweite Ermittlungstag, es wurde bereits dunkel, höchst unbefriedigend zu Ende.

Aus dem Grund sollten am nächsten Tag noch einmal alle Register gezogen werden. Es musste nun mit dem Schlimmsten gerechnet und davon ausgegangen werden, dass die ältere Frau in dem Haus in den Flammen umgekommen ist. Hätte sie sich vor den Flammen retten und das Haus rechtzeitig verlassen können, wäre sie sicherlich längst aufgetaucht oder gefunden worden, so unsere Gedankengänge. Da sich aber keinerlei Hinweise auf den Verbleib der Frau ergaben, machte sich Unbehagen bei den Ermittlern breit.

Aufnahme der hohen Zerstörung in der Küche mit dem Wohnzimmer im Hintergrund.

Für den dritten Ermittlungstag forderte man beim Ortsverband des Technischen Hilfswerkes (THW - Technisches Hilfswerk) zehn Personen an, die kräftig zupacken können und zuverlässig sind. Die Aufgabenstellung lautete nun, den gesamten Brandschutt noch einmal gründlich zu durchsuchen. Dabei mussten Reste vom Brandschutt im Haus und mehrere, große Aschehaufen vor dem Haus wiederholt inspiziert werden. Dies erfolgte unter fachlicher Aufsicht, bei tatkräftiger Unterstützung, von zwei Kriminalisten (einschließlich dem Autor). Die klare Zielstellung lautete, koste es was es wolle, Reste einer Brandleiche in dem Brandschutt zu finden oder den Negativbeweis hierfür mit Sicherheit anzutreten. Nach einigen Stunden mühsamer Kleinarbeit und zwischenzeitlichen, vermeintlichen Funden menschlicher Überreste, es handelte sich dann jedoch um Lebensmittel, wurde man zu später Stunde doch fündig. Der Brandschutt wurde bei dieser Arbeit tatsächlich nochmals vollkommen wiederholt durchsucht und dies nicht nur im übertragenen Sinne. Eine zeit- und nervenaufreibende Arbeit, da mir als „Chefermittler“ bereits Gedanken im Kopf herumschwirrten, was zu tun wäre, wenn die Frau nicht gefunden würde. Könnte ein Verbrechen vorliegen, von dem wir noch nichts ahnten? Zu einem völlig unerwarteten Zeitpunkt wurde ein undefinierbarer Klumpen unter den Dielen im Wohnzimmer gefunden, der wie ein Stück Fleisch aussah. Eine Identifikation des Klumpens war nicht annähernd möglich, wurde aber auch nicht weiter versucht, um nichts zu zerstören. Ein Rechtsmediziner (auch Gerichtsmediziner) wurde sofort angefordert, als es schon wieder dämmerte. In relativ kurzer Zeit war er an der Brandstelle. Die Inaugenscheinnahme durch den Fachmann erbrachte den Hinweis, dass es ein Teil einer Extremität sein müsste, wobei die Hitzeeinwirkung zunächst keine eindeutigere Aussage vor Ort zuließ, ebenso wenig, ob es sich um menschliches oder tierisches Gewebe handelte. Eine genaue Untersuchung sollte später in der Rechtsmedizin erfolgen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Bewohnerin einen kleinen Mischlingshund besaß, der bereits bei der ersten Brandortuntersuchung im Wohnzimmer tot, aber dennoch relativ gut erkennbar, gefunden wurde.


3. Brandursache

Die umfangreichen Ermittlungen zur Brandursache bezogen fünf Versionen in die Betrachtungen ein. Jede der möglichen Varianten wurde vor Ort eingehend untersucht und im ausführlichen, illustrierten Brandursachenermittlungsbericht (Kombination von Bildanlage und Ursachenbericht) nach dem Eliminierungsverfahren, in Konsultation mit anderen Brandermittlern, diskutiert. Als Zündquellen kamen ein elektrischer Kurzschluss; Defekte am Schornstein oder dem Kachelofen; offenes Feuer oder Rauchen; ein unzureichender Sicherheitsabstand zum Kachelofen und eine Zündung durch die Heizdecke in Frage. An dieser Stelle wird allerdings auf eine ausführliche Darstellung über die Abhandlungen zu den einzelnen Brandversionen verzichtet, da es nicht Thema dieses Beitrages ist. Nach gründlicher Diskussion kamen wir gemeinsam zu der Schlussfolgerung, dass der Brand höchstwahrscheinlich durch die Heizkissen verursacht wurde, wobei ein technischer Defekt oder eine falsche Bedienung zutreffend sein konnten. Die anderen Brandursachen konnten mit einiger Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.


4. Auswirkungen von Hitze auf den Menschen

Zur Verdeutlichung des Brandbeispiels, folgen nun darüber einige Erläuterungen, welche Wirkungen Feuer auf den menschlichen Organismus haben kann. Ein Brandereignis kann auf verschiedene Weisen schädigend auf die Gesundheit oder das Leben des Menschen einwirken. Wenn sich Personen aus den unterschiedlichsten Gründen noch im Brandgebäude oder im unmittelbaren Gefahrenbereich befinden, können sie direkt oder indirekt vom Brand betroffen sein. Hauptsächlich rufen hohe Temperaturen, Wärmestrahlung und Konvektion, direkte Flammeneinwirkungen und Rauchgase Schädigungen oder Verletzungen hervor, welche auch letal sein können.


a) Hohe Temperaturen

Das lebende Gewebe ist gegenüber höheren Temperaturen sehr empfindlich, da bereits bei plötzlich auftretenden Temperaturen von 40-50 °C eine Blutkoagulation (Venenstauung) eintreten kann, stark toxische Eiweißabbauprodukte im Körper entstehen können und darüber hinaus der menschliche Organismus zum größten Teil nur aus Wasser (ca. 90 %) besteht und an der Hautoberfläche mit einer Vielzahl von Nervenenden versehen ist. Der Mensch kann kurzzeitig Temperaturen von 70-80 °C ertragen. Man unterscheidet bei allgemeinen Hitzeschäden den Hitzekollaps, den Hitzschlag, Hitzekrämpfe und den Sonnenstich.
Der Hitzekollaps ist ein Kreislaufkollaps in Folge einer anhaltenden Wärmestauung durch Überschreitung der Temperaturregulationsmöglichkeiten. Je nach Standort in einer Räumlichkeit (Gebäude, Pkw usw.) während des Brandes, ist es möglich, dass eine hohe Wärmebelastung auftritt. Dies kann sowohl Bewohner, unbeteiligte Personen, den Brandstifter, aber auch Rettungskräfte betreffen. Der Hitzekollaps wird begünstigt durch eine hohe Luftfeuchtigkeit, wie sie beim Löschen mit Wasser auftreten kann, insbesondere wenn Löschkräfte fälschlicherweise "gekühlt" werden sollen und schlagartig die Verdampfung des Wassers einsetzt. In schweren Fällen kann der Hitzekollaps zum Tod führen. Zum Hitzschlag kommt es bei einer thermischen Körperschädigung. Dabei verzeichnet man einen Zusammenbruch von zentralen Regulationsmechanismen durch das Auftreten einer zu hohen Kerntemperatur. Zum Hitzschlag kommt es, wenn die Körperkerntemperatur nach oben überschritten wird, wobei sich die Schädigung auf das Gehirn in Form von Benommenheit, Delirien, Koma usw. auswirkt. Tritt der Tod ein, ist ein schnelles Einsetzen der Totenstarre zu beobachten. Als Folge erheblicher Schweißabsonderungen und damit Kochsalzverarmung treten Hitzekrämpfe auf (ein Liter Schweiß enthält bis zu 3 g Salz). Dabei erhöht sich der Pulsschlag und es tritt eine Störung der Erregungsleitung des Herzens auf. In der Folge kommt es zu Krämpfen bis hin zu möglichen Gewebsnekrosen. Bei lokaler Wärmestrahlung am Kopf kann es zum Sonnenstich kommen, wobei die Strahlungswärme entscheidend ist. Symptome sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindelgefühl sowie Eintreten eines Kollapses. Auch hierbei kann der Tod eintreten. Der menschliche Organismus ist nur in einem eng begrenzten Temperaturbereich lebensfähig. Es können Wärmestrahlungsintensitäten von ca. 0,3 Watt/cm² ertragen werden, ohne Schädigungen davon zu tragen. Bei einer Umgebungstemperatur von mehr als 43 °C erhöht sich die Gefahr von Herzversagen erheblich und bei Werten von 60 °C kommt es zur Gerinnung des Gewebsproteins. Irreversible Schädigungen sind auch schon bei 43 °C zu erwarten.



b) Lokale Hitzeeinwirkungen

Örtliche Hitzeschäden stellen Verbrennungen oder Verbrühungen dar. Bei einer Hitzeeinwirkung von Flüssigkeiten oder Dämpfen spricht man von Verbrühungen, bei denen zu den Erscheinungen bzw. Graden einer Verbrennung keine grundsätzlichen Unterschiede bestehen. Durch den Siedepunkt der jeweiligen Flüssigkeit wird der Grad der Verbrühung begrenzt.
Es ist der 1. bis 3. Grad möglich.

  • Die Verbrennungen werden in vier Schädigungsgrade eingeteilt.


Bei der Verbrennung ersten Grades tritt eine starke Rötung der Haut (Erythem) in Folge der Erweiterung der Hautgefäße auf. Eine Hautrötung kann schon bei 45 °C, aber meist erst bei 50-60 °C auftreten.
Die Verbrennungen zweiten Grades sind gekennzeichnet durch die Ausbildung von Brandblasen, wobei sich die Haut in einem mehr oder weniger großen Bereich blasig von der Unterlage ablöst. Bei Temperaturwerten von etwa 70 °C kommt es zur Blasenbildung (Vesication). Die Blasen sind mit einer serösen Flüssigkeit gefüllt. Wenn die Blase zerreißt, so trocknet die freiliegende Lederhaut postmortal aus. Vital hervorgerufene Brandblasen lassen in der Regel im Eintrocknungsbezirk deutlich sichtbare Gefäßzeichnungen erkennen. Solche Kenngrößen wie Temperaturhöhe, Dauer, Individualität der Person haben Einfluss auf die Ausbildung von Brandblasen, die sehr schnell auftreten können, aber auch erst nach Stunden und Tagen.
Die Verbrennungen dritten Grades werden in die teilweise und vollständige Gewebsnekrose eingeteilt. Bei Temperaturen über 60 °C wird das Körpereiweiß denaturiert. Die Zerstörung der Haut läuft im Temperaturbereich bis ca. 100 °C ab. Ab 100 °C wird das Unterhautgewebe zerstört. Durch die Temperatureinwirkung nehmen Haut, Unterhautgewebe und auch die Muskulatur eine trübe, lehmfarbene Beschaffenheit an. Das Gewebe sieht praktisch wie gekocht aus. Das Blut ist koaguliert und sieht graurötlich aus. Die Abbauprodukte des Gewebes wirken im Körper toxisch. Durch oftmals auftretende starke Wundsekretion kommt es zu einem Flüssigkeits- und Einweißverlust.
Die letzte Stufe stellt die Carbonisation oder Verkohlung des Gewebes dar, auch als Verbrennung vierten Grades bezeichnet. Diese tritt bei Verbrühungen nicht auf. Eine Verkohlung wird immer dort eintreten, wo hohe Temperaturen auf den menschlichen Organismus einwirken konnten. Dabei spielen wiederum Temperaturhöhe, direkte oder indirekte Flammeneinwirkung, Dauer der Hitzewirkung, Schutz der Körperpartien u. ä. eine erhebliche Rolle. Bei Temperaturen deutlich höher als 100 °C treten Körperschädigungen durch Muskelverbrennungen auf und bei sehr viel höher als 100 °C wird das Gewebe bis zum Knochen zerstört. Die Verkohlung kann auch postmortal eintreten. Speziell eine hochgradige und ausgedehnte Verkohlung wird sich mit Sicherheit erst nach dem Tode ausbilden. Je nach Art und Dauer der Brandhitze kann sich die Verkohlung auf einzelne Hautbezirke, den ganzen Körper oder auf tieferes Gewebe erstrecken. Nach langer Einwirkung können die Knochen völlig durchglühen und sich in weißlich-graue, zerfallende Masse verwandeln. Der eigentliche Verbrennungstod stellt eine Kombination aus Schocktod, Kollaps und CO-Vergiftung dar. Obwohl Leichen in stark verkohltem Zustand aufgefunden werden können, ist eine vollständige Verbrennung einer erwachsenen Person schwer möglich und tritt sehr selten auf.
Es werden Verletzungen und Anzeichen unterschieden, die zu Lebzeiten oder die nach dem Tod auftreten.


c) vitale Brandfolgen

Da während des Brandes die Atmung noch funktioniert, wird Ruß inhaliert und kann somit im Kehlkopf und in der Luftröhre vorgefunden werden. Die Russpartikel können auch verschluckt werden und somit im Magen oder dem oberen Dünndarm nachgewiesen werden. Eine weitere vitale, also Brandfolge zu Lebzeiten, kann die so genannte Krähenfußbildung an den äußeren Augenwinkeln sein. Diese Erscheinung entsteht durch das Zukneifen der Augen bei Hitzeeinwirkungen oder Reizung durch Brandgase, so dass der sich absetzende Ruß sich nicht in den Hautfalten niederschlagen kann, die dann als hellere Hautpartien erscheinen. Wenn die Augen fest zugekniffen werden, sind die Wimpernspitzen versengt. Aber auch das übrige Körperhaar kann, je nach Bedeckung durch Kleidung, versengt oder verbrannt sein Das menschliche Haar im Allgemeinen kann hohen Temperaturen nicht standhalten, behält aber bis zu Temperaturen von maximal 60 °C seine Länge bei. Wenn die Hitzegrade erhöht werden, verkürzt sich das Haar. Bei weißen Haaren erfolgt eine Gelbfärbung ab etwa 140 °C. Die Haare werden nach 15-20 min bei 180 °C Hitze rot gefärbt. Wenn Temperaturwerte von über 200 °C erreicht werden, setzt im Haar eine vom Mark ausgehende Gasentwicklung mit folgender Blasenbildung ein. Diese Blasen platzen bei 250 °C auf, das Haar kräuselt sich und wird rotschwarz. Wenn es berührt wird, zerfällt es sehr schnell. In diesem Fall enthalten die Haare im Inneren meistens kleinste Luftbläschen, die perlschnurartig aneinander gereiht sind. Die Spitzen des Haares wirken so kolbenförmig aufgetrieben. Im Temperaturbereich von 300-400 °C tritt eine Verkohlung des Haares ein. Ein weiteres vitales Zeichen kann auch Brechreiz sein, bedingt durch die Wirkung von Brandgasen, sowie Rauch und Hitze. Erhöhter CO-Gehalt im Blut sowie eine sulzige Durchtränkung der Unterhaut sind auch Indikatoren, dass der Brand auf das Opfer zu Lebzeiten eingewirkt hat. Gleiches trifft bei erkennbarer Hellrotfärbung der weichen Hirnhäute, der Hirnrinde sowie von inneren Organen und dunkelkirschrotes flüssiges Leichenblut, was nur eine Obduktion ergeben kann, zu. Unter starker Hitzeeinwirkung kann die Oberhaut so aufplatzen, dass der Eindruck von Schnittverletzungen entsteht. Dies kann soweit führen, dass die Bauchhaut aufreißt und der Bauchraum frei liegt. Allerdings kann keine Zuordnung als vitale oder postmortale Erscheinung erfolgen. Eine Aspiration von Erbrochenem deutet immer auf eine Lebendverbrennung hin.


Es wird der stark verbrannte Dielenbereich im Eingangsbereich des Wohnzimmers verdeutlicht; die Couch stand weiter rechts neben dem Ofen.

d) postmortale Brandfolgen

Außer den vitalen Brandfolgen, differenziert man in solche, die den menschlichen Körper auch nach Eintritt des Todes noch verändern, da ein Brand dann in aller Regel noch nicht gelöscht sein muss und somit weiter auf den Mensch einwirkt. Die bekannteste Erscheinung ist die Fechterstellung, die durch die hitzebedingte Schrumpfung der Muskulatur und Sehnen durch Wasserentzug eintritt. Die größere Stärke der Beugemuskulatur führt zur Halbbeuge der Extremitäten. Je nach der Wirkung der höchsten Temperatur kann es zur Kontraktion der Bauch- oder Rückenmuskulatur kommen, die eine Lageveränderung der Brandleiche zur Folge haben kann. Die Brandhitze verursacht nicht nur eine Spannung der Muskulatur, sondern auch der Sehnen und gleichzeitig eine Zersetzung der chemischen Struktur der Knochen, so dass durch die Kraftwirkung der Sehnen Knochenbrüche auftreten können. Im Bereich des Schädels kommt es zum "Brandhämatom", hervorgerufen durch Auspressung von Blut in den Raum zwischen Schädelinnenseite und harter Hirnhaut, in Form einer Sichel. Das Blut ist geronnen und ziegelrot. Das Gehirn kann durch die Brandhitze stark schrumpfen. Durch den Dampfdruck im Schädel kann dieser gesprengt werden. Tritt im Hals- und Gesichtsbereich eine Verkohlung ein, wird der Mund geöffnet und die Zunge herausgepresst, verursacht durch die Schrumpfung der Muskulatur. In der frühpostmortalen Phase sind der Bruch des Zungenbeines, die Schrumpfung und das Einreißen der Haut möglich. Bei einem Vollbrand (intensiver Flammenbrand), der längere Zeit ungehindert auf einen Menschen einwirkt, werden die Merkmale der Verbrennung 4. Grades stark ausgeprägt sein. Dennoch ist es keine Seltenheit, dass trotz einer starken Verkohlung des menschlichen Körpers noch gut erkennbare Überreste von Bekleidungsgegenständen, Schuhen, Schmuck usw. vorhanden sind. Dies muss jedoch nicht zwangsläufig der Fall sein und hängt von sehr vielen Faktoren, ebenso wie das Auffinden menschlicher Überreste, ab. Die meisten Toten sind sicherlich bei Wohnungsbränden zu beklagen, mal abgesehen von Großbränden z. B. in Discotheken. Da die Feuerwehren in der Regel kurze Ausrückezeiten erreichen, werden solche Fälle seltener eintreten, bei denen ein Mensch lange Zeit großer Hitze ausgesetzt ist und so erheblich verbrennt, wie bei diesem Brandfall.


Vergleich:
Die Einäscherung über ein bis zwei Stunden in einem Krematorium bei 1500 °C hinterlässt noch kalzinierte Knochenreste (Kalzination: Zersetzung einer chemischen Verbindung durch Hitze). Die absolute Zerstörung einer Leiche durch Verbrennen in einem Ofen ist bei 700 °C nach acht Stunden erreicht. Die Folgen einer Verbrennung hängen vom Grad der Schädigung, ihrem flächigen Ausmaß und dem Alter der verletzten Person ab.

Eine besondere Gefährdung mit der Möglichkeit des Eintritts des Exitus ist bei Verbrennungen großer Hautbezirke, insbesondere des Gesichtes oder der Atemwege zu erwarten. Es besteht Lebensgefahr bei Erwachsenen, wenn großflächige Verbrennungen von 40 % der Hautoberfläche auftreten, während bei Kindern genügt, wenn 15-20 % der Haut betroffen sind.
Als Anhaltspunkt für die Größe der Körperteile mag die so genannte Neunerregel dienen.

  • danach beanspruchen Kopf und Arm je 9 %,
  • bei Kindern der Kopf 18 %,
  • Rumpfvorder- und Rückseite je 18 %,
  • ein Bein je 18 % und bei Kindern 14 % und die
  • Schamgegend 1 % der Körperoberfläche.


Wenn die Brandeinwirkung überlebt wird, so kann es kurz danach zum Tod im hypovolämischen Schock *3 durch Wasserverlust kommen. Bei längerer Überlebenszeit besteht die Gefahr, dass es zu toxischen Schädigungen durch die Resorption von Eiweißabbauprodukten kommt. Folge ist eine Nierenschädigung mit deren anschließendem Versagen und Urämie *4.

Bei ausgedehnten Verbrennungen können durch die großflächige Schädigung und die gestörte Infektabwehrlage eine Blutvergiftung sowie eine Lungenentzündung mit Todesfolge eintreten. Eine Leberschädigung kann ebenfalls eintreten. Geschwüre des Magens und des Zwölffingerdarms treten als Spätfolgen des Schocks auf, wobei tödliche Blutungen einsetzen können.

Da die Brandursachenermittlung in der Regel in enger Zusammenarbeit mit der gesamten Brandsachbearbeitung vonstatten geht, ist es bei der Tatortarbeit wichtig herauszuarbeiten, ob aufgetretene Verletzungen oder die Tötung von Menschen durch ...

    • 1 Toxinämie: Überschwemmung des Blutes mit Giften, insbesondere Bakteriengiften
    • 2 Sepsis: nach unterschiedlicher Latenz mit schweren Krankheitserscheinungen einhergehend, „Blutvergiftung“
    • 3 Verminderung des Volumens eines Flüssigkeitskompartiments (morphologisch und funktionell eindeutig zu definierender Raum, dessen Inhalt durch eine bestimmte Zusammensetzung charakterisiert ist und in Wechselwirkung mit angrenzenden Räumen steht)
    • 4 Harnvergiftung

... den Brand auf eine Straftat, einen Suizid oder einen Unglücksfall ohne schuldhaftes Verhalten zurückzuführen sind. Es kann der zufällige Ausbruch eines Brandes durch beteiligte Zeugen vorgegeben werden, um dadurch andere Straftaten, insbesondere Tötungsdelikte, zu verschleiern. Es sind aber auch genügend Fälle bekannt, bei denen sich Personen auf die unterschiedlichsten Weisen durch Brandlegung selbst töteten. Andererseits sind auch Todesfälle dadurch zu verzeichnen, weil Personen das Brandobjekt nicht mehr rechtzeitig verlassen konnten, da sie bei Rettungsarbeiten ein Opfer der Flammen wurden, vorher eine Rauchvergiftung erlitten oder die Evakuierungswege und Notausgänge unzureichend oder verstellt waren.

Im vorliegenden Brandfall stellte sich mittels einer Abstammungsuntersuchung (Vergleich des DNA-Profils der Reste der Brandleiche mit dem Profil naher Angehöriger) drei Wochen später mit 99,9996 %-tiger Sicherheit heraus, dass die gefundenen Überbleibsel der Frau zuzuordnen waren. Somit ist sie fast vollständig in den Flammen verbrannt, da es auch keine tatsächlichen Anzeichen oder Spuren für einen anderen Verlauf gab.

Bei zahlreichen Bränden gibt es die unterschiedlichsten Verletzungen von Menschen, angefangen von kleinsten Verbrennungen, versengten Haaren oder einer Inhalation von Rauchgasen bis hin zu lebensbedrohlichen oder letalen Verbrennungen oder Rauchgasintixikationen. Jährlich sterben einige Hundert Menschen, zuletzt ca. 400-500, an den Folgen von Bränden. Näheres Zahlenmaterial und weitere Ausführungen hierzu können in „Die Ermittlung von Brandursachen“ von CICHA, erschienen beim Boorberg Verlag nachgelesen werden.


e) Verkohlung eines Menschen

Von Brandverletzungen, ob überlebt oder tödlich, können die verschiedensten Personen betroffen sein: Bewohner, Nachbarn, zufällig herbeigeeilte Zeugen, völlig Unbeteiligte, Feuerwehrleute, Polizisten, andere Helfer, Täter usw.

Wenn sich ein Mensch während des Brandes in einem Brandobjekt befindet, steigt der Grad der zu erwartenden Verletzungen bzw. Todesgefahr in der Zeit, in der keine Hilfe zur Stelle ist, unproportional schnell an. Aber gerade, wenn innerhalb einer langen Zeit keine Rettung oder Bergung aus dem Flammenmeer oder wenigstens der Einsatz und die Wirkung von Löschwasser einsetzen, wird ein hoher Verletzungsgrad der Person zu verzeichnen sein. Gerade, wenn ein Brand spät bemerkt wird, die Feuerwehr aus verschiedenen Gründen erst sehr spät löschen kann oder andere Verzögerungsfaktoren eintreten, wird das der Fall sein. Es ist auch längst nicht immer bekannt oder zwingend davon auszugehen, daß sich bei bestimmten Örtlichkeiten Personen im Brandobjekt befinden. Sie können während des Löschens, bei Nachlöscharbeiten, erst bei der Spurensuche oder im schlimmsten Fall gar nicht gefunden werden, weil deren Anwesenheit nicht bekannt war, sie sich in entlegenen Raumwinkeln befinden, erheblich oder zum Teil verschüttet oder stark verbrannt sind.

Gleicher Bereiche wie im Foto 4, nur aus der anderen Richtung Aufnahme unter die Dielung der Kreis kennzeichnet den Fundort des Fußes.

Die fast vollständige Verbrennung eines Menschen, zumindestens die unbeabsichtigte, wird in den seltensten Fällen, wie eigene Recherchen ergaben, eintreten. Sollte ein Täter die vollständige Vernichtung eines Menschen durch Feuer anstreben, ist dies mit dem Tod beispielsweise durch einem Wohnungsbrand nicht vergleichbar. Von den Bränden aus eigener Erfahrung, bei denen Tote zu beklagen waren, gab es nur diesen einen vorbeschriebenen und äußerst seltenen Fall, bei dem die einzige Bewohnerin faktisch völlig verbrannte.

Über den Umstand, dass die ältere Dame bis auf den gefundenen Fuß, verbrannte, kann mit dem sogenannten Dochteffekt ein Erklärungsversuch unternommen werden. Angemerkt sei noch, dass aus meiner Sicht die Fehlerquote bei der Durchsichtung des Brandschuttes als sehr gering anzusetzen ist, da ein hoher Suchaufwand betrieben wurde. Ausgehend vom ermittelten Brandausbruchsbereich mit der wahrscheinlichsten Brandursache (Heizdecke), muss das Feuer seinen Anfang auf der Couch genommen haben, wo die Frau saß oder lag, die sich sicher mit einigen Decken verhüllt hatte. Entweder trat die Bewusstlosigkeit durch Brandgase in einer frühen Phase des Brandes ein, so dass die Frau schlimmeres nicht verhindern konnte oder es kamen zusätzlich Altersgebrechen hinzu. Der Brand breitete sich über die Heizdecke, weitere Decken, die Bekleidung und das Sitzmöbel ungehindert aus. Die Decken isolierten den Brandherd in der Anfangsphase, so dass keine Wärme abgeführt werden konnte. Der Dochteffekt tritt dann später zwischen dem durch die Brandhitze verflüssigtem Körperfett und der Bekleidung und/oder anderen textilen Schichten auf. Die textilen Schichten saugen sozusagen das flüssige Fett auf und brennen ähnlich dem Wirkprinzip wie bei einem Kerzendocht ab. Wenn Fette verbrennen werden relativ hohe Temperaturen von mindestens 700-900 °C erreicht. Unter diesen Bedingungen erfolgt eine sehr intensive Flammenwirkung auf den Körper. Hinzu kommt in diesem Fall, dass die Zeit der ungehinderten Brandausbreitung nicht bekannt ist. Das Feuer wird zum einen bis zum Bemerken schon eine Zeit gewütet haben und zum anderen verging weitere Zeit, bis erste Löschmaßnahmen wirkungsvoll einsetzten. Da die menschlichen Überreste rechts unweit der Wohnzimmertür gefunden wurden, ist einzuräumen, dass die Frau noch zu Lebzeiten versucht hat, sich zu retten, aber nur bis kurz vor die Wohnzimmertür kam. Die Fundorte des kleinen Hundes und des Fußes der Frau sind nahezu identisch. Brandleichen finden sich oftmals in der Nähe von Türen und Fenstern, wobei das nicht immer in Richtung Ausgang sein muss, da zuvor die Orientierung verloren wurde.


Auszug aus dem Fachbuch „Die Ermittlung von Brandursachen“.
welches 2019 in
3. Auflage erschienen ist.


Literaturverzeichnis:



Verfasser:

Ing. Jörg Cicha


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