Die Tatortuntersuchung

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von Prof. Dr. Holger Roll, Güstrow

Der Artikel ist erschienen in: DIE KRIMINALPOLIZEI Zeitschrift der Gewerkschaft (ohne die Bilder) der Polizei, Ausgabe Juni 2018


Die Tatortuntersuchung wird häufig als Kernstück der Tatortarbeit eingeschätzt. Sie umfasst die Aufnahme des objektiven Tatortbefundes und wird in verschiedene Phasen unterteilt:

Suche nach Spuren und materiellen Beweismitteln
Sicherung von Spuren (mittels technischer Verfahren und der Sicherstellung von materiellen Beweismitteln)
operative Spurenauswertung

Neben der Feststellung von Spuren und materiellen Beweisen ist die Beschreibung der am Tatort vorgefundenen Situation wesentlicher Bestandteil der Tatortuntersuchung.


Nach einem Zimmerbrand wurde diese Tür versiegelt. Ein Brandort ist ein Tatort.
Ist die Brandstelle abgekühlt, beginnt die Kriminalpolizei mit der Brandursachenermittlung
Foto: Rainer Schwarz

1. Die Beschreibung der Tatortsituation

Die Beschreibung der Situation am Tatort ist immer im Zusammenhang mit der Tatortuntersuchung vorzunehmen.
Es soll damit ein objektives, vollständiges und fehlerfreies Bild über die am Ereignisort vorgefundene Situation geschaffen werden. Die angefertigte Dokumentation kann Grundlage für die Beweisführung im Strafverfahren, u.U. auch selbst ein Beweismittel (Augenscheinsbeweis) sein. Das Ergebnis der Beschreibung wird Bestandteil der anzufertigen Dokumentation der Tatortarbeit.
Die Beschreibung kann mündlich (z.B. mittels Diktiergerät), schriftlich, per Videoaufzeichnung oder/und Fotografien sowie durch Skizzen und Zeichnungen vorgenommen werden. Ergänzt wird sie ggf. durch Unterlagen über den Tatort (z.B. Baupläne, Grundrisszeichnungen). Dies erhöht die Anschaulichkeit der Dokumentation und erleichtert auch die Beschreibung, da z.B. Maße direkt übernommen werden können. Es ist zu prüfen, dass die in Zeichnungen angegebenen Maße mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen, um z.B. nachträgliche Veränderungen feststellen zu können (z.B. Anlegen von Verstecken). Die Beschreibung ist systematisch durchzuführen und sollte parallel zur Spurensuche und -sicherung realisiert werden. Erfolgt sie in Bewegung ist zu beachten, dass die zu betretenden Bereiche vorher nach Spuren und Beweisgegenständen abgesucht und zumindest markiert wurden, wenn sie nicht schon kriminaltechnisch gesichert wurden.
Inhaltlich sind folgende Schwerpunkte zu berücksichtigen:

der Tatort im weiteren Sinn (einschließlich möglicher Zu- und Abgangswege),
der Tatort im engeren Sinn (eigentlicher Handlungsort),
die räumliche Situation am Tatort,
die vorgefundene Situation bei Eintreffen der Kräfte des Auswertungsauswertungsangriffs,
die materielle Spurenlage,
weitere Orte, an denen materielle Beweismittel aufgefunden wurden (z.B. am Fluchtweg),
die Art und Weise der Vorgehensweise bei der Spurensuche und -sicherung.


Als Grundsätze der methodischen Vorgehensweise der Beschreibung des Tatortes gelten:

Planmäßige und systematische Beschreibung: Die Systematik hat sich an der Spezifik der vorgefundenen Situation zu orientieren. Eine einmal gewählte Systematik ist beizubehalten. Die Beschreibung hat in der räumlichen Abfolge im Uhrzeigersinn zu erfolgen.

  • Festlegung eines Fixpunktes: Von diesem ist die Beschreibung vorzunehmen.
  • Beschreibung von außen nach innen:
Der Tatort im engeren Sinn ist genau zu lokalisieren und zu benennen.
Die Beschreibung hat sehr detailliert unter Nutzung von Geländekarten, Grundrisszeichnungen, Bauplänen zu erfolgen.
  • Sektorale Aufteilung bei räumlich sehr großen Tatorten:
Die Beschreibung erfolgt nach der gewählten Systematik in den entsprechenden Sektoren.
  • Exakte Beschreibung vorhandener Gegenstände: Neben der Beschreibung der Gegenstände ist ihre Lage zueinander festzuhalten. Konkrete Abmessungen sind festzustellen und zu dokumentieren.


Vor dem eigentlichen Betreten von Räumen sind/ist:

die Stellung und der Zustand von Türen und Türschlössern (keine Schließversuche) zu dokumentieren,
die Temperatur festzustellen (Problem: Öffnen der Fenster bei unangenehmen Gerüchen, dies kann z.B. für die Feststellung der Todeszeit erhebliche Fehler begünstigen),
Gerüche zu beschreiben,
die situativen Verhältnisse am Tatort (z.B. durchwühltes Mobiliar) festzuhalten,
fotografische Überblicksaufnahmen des gesamten Raumes zu fertigen.


Nach dem Betreten von Räumen ist:

der Zustand und die Stellung der Fenster festzuhalten,
die Stellung Lichtschalter zu beschreiben,
der Zustand elektrischer Beleuchtung und Beleuchtungskörper zu dokumentieren (z.B. lassen sich daraus Versionen zur Tatzeit ableiten),
die Stellung von Gashähnen und der Heizungsregler (Thermostate) zu dokumentieren.


Die Beschreibung des Tatortes kann durch Skizzen, Zeichnungen, Fotografien und Videoaufzeichnungen ergänzt werden.


mögliche Spuren an einem Fenster nach einem Einbruch, gesichert durch einen Kriminaltechniker
Foto: Joachim Löckener, KTU

2. Spurensuche

Die Spurensuche dient der Feststellung von materiellen Beweismitteln (Aufzeichnungen, Gegenstände, Spuren). Die Suche ist kein mechanisches Absuchen des Tatortes, sondern hat nach bewusst gewählten methodischen Prinzipien zu erfolgen und muss die Spezifika des Tatortes berücksichtigen. Grundlage sind die bisher über den Tatort und den Sachverhalt vorliegenden Informationen. Damit wird deutlich, dass bei der Spurensuche ein enges Wechselverhältnis zwischen gedanklicher und praktischer Tätigkeit des Ermittlungsbeamten besteht. Vor der Spurensuche sind die spurentragenden Bereiche, die für das jeweilige Delikt in Frage kommen können, festzulegen. Generell sind spurenrelevant der Ereignisort (Fundort, Tatort, Verbringungsort), die Zu- und Abgangswege, das Tatopfer (z.B. bei Sexualdelikten), der Verdächtige (z.B. Verletzungen durch Gegenwehr des Opfers) und Gegenstände (z.B. Tatwerkzeuge, Tatmittel, Beute). Die methodische Vorgehensweise der Vorgehensweise ist abhängig von:

der Art und Schwere des Delikts,
der aktuellen polizeilichen Lage,
der Jahres- und Tageszeit,
der Witterungsverhältnisse,
der Struktur des Ereignisortes, den örtlichen Gegebenheiten,
dem Zeitraum zwischen Feststellung der Tat und Untersuchung dieser,
den Entstehungsmöglichkeiten der Spuren,
der Art der Spur,
der möglichen Zuordnung4 der Spur (z.B. Täterspur, Tatspur, Opferspur, Spuren von Tatwerkzeugen oder Tatmitteln),
von Versionen über den Tatablauf.

Der letztgenannte Faktor hat besondere Bedeutung für die Festlegung der methodischen Vorgehensweise. Ist es möglich, konkrete Fakten zum Vorgehen des Täters (z.B. auf Grund der Analyse der vorgefundenen Situation oder der Auswertung von Zeugenaussagen) zu gewinnen, wird danach die methodische Vorgehensweise der Spurensuche festgelegt. Grundsätzlich unterscheidet man:

die subjektive (heuristische) Vorgehensweise,
die objektive (systematische) Vorgehensweise,
eine Kombination beider Vorgehensweisen.


2.1 Subjektive Methode

Subjektiv geht man vor, wenn im Ergebnis der Tatortbesichtigung Versionen/Hypothesen zum Tatgeschehen vorhanden sind. Das Ergebnis der gedanklichen Rekonstruktion der Begehungsweise und des Ereignisses muss eine hohe Wahrscheinlichkeit aufweisen, dass sich das Ereignis auch tatsächlich, so wie angenommen, vollzogen hat. Anhand der Version zum Modus operandi wird die Spurensuche auf mutmaßliche spurentragende Bereiche konzentriert.

Unabdingbare Voraussetzungen für die Anwendung dieser Methode sind, dass Kenntnisse vorliegen über:

die Anzahl der Täter, die am Tatort gehandelt haben,
die psychischen Voraussetzungen des Täters,
die Ausführung der Tat,
mögliche Zu- und Abgangswege,
vorgenommene Veränderungen,
spurentragende Bereiche,
mögliche latente Spuren und an welchen Orten sie auftreten könnten.

Diese Methode weist Vorteile auf, wie z.B. ihre Effektivität, der geringe Kräfte- und Zeitaufwand, die ganzheitliche Beurteilung der Spurenlage, die Konzentration auf Tat- und Täterspuren, die Möglichkeit, dass Mikrospuren und latente Spuren festgestellt werden können. Nachteile dieser Methode bestehen darin, dass bei Zugrundelegung einer fehlerhaften Version die Gefahr besteht, dass Spuren in falschen Bereichen gesucht und vorhandene Spuren vernichtet werden können. Nicht geeignet ist die Methode, wenn in einem räumlich sehr eng begrenzten Bereich nach Spuren gesucht werden soll. Als Gefahr ist einzuschätzen, dass der Ermittlungsbeamte seine Erfahrungen, sein Wissen zugrunde legt und die Vorstellung eine Rolle spielt, wie er selbst in dieser spezifischen Tatortsituation gehandelt hätte. Diese eigenen Vorstellungen können jedoch völlig verschieden von der tatsächlichen Vorgehensweise des Täters sein, da diese sehr individuell und perönlichkeitsspezifisch sind. „Es genügt also landläufig nicht, sich als Ermittler einfach in die Situation des Täters hineinzudenken, sondern man muss dies tun unter Berücksichtigung der eigenen Psyche und Intelligenz, der eigenen moralischen Intentionen und einer andersartig strukturierten Persönlichkeit. Das setzt voraus, dass der Ermittlungsbeamte Angaben über diese Persönlichkeit im Sinne relativ stabiler Merkmale auch tatsächlich besitzt oder vermutet sowie die situativen psychischen Bedingungen und Abläufe kennt. Dann ist es ihm möglich, die Handlungsziele und -motive des Täters zu erkennen, die sich ihm bietenden Handlungsmöglichkeiten und -alternativen zu analysieren, um daraus Erkenntnisse über das tatsächliche Handeln zu erlangen.“

Für das Vorgehen nach der subjektiven Methode ist zu beachten:

  • Der Beginn der Spurensuche sollte, an dem Ort erfolgen, den der Täter als erstes betreten hat (Zugangsweg). Als Orientierung für die weitere Suche von Spuren gilt das gedankliche Nachvollziehen der Handlungsweise des Täters. Sollte das nicht möglich sein, empfiehlt es sich den Beginn der Spurensuche zum Abgangsweg zu verlegen und dann rückvollziehend die Spurensuche vorzunehmen.
  • Die Spurensuche erfolgt dort, wo der Täter sicher oder mit hoher Wahrscheinlichkeit gehandelt hat. Durch die gedankliche Rekonstruktion bestehen Kenntnisse zum möglichen Ablauf der Spurenentstehung. Aus diesem Grund sollte auch nach latenten Spuren und Mikrospuren gesucht werden.
  • In den Suchbereich angrenzenden Gebieten dürfen keine Veränderungen vorgenommen werden, damit sie notfalls (falls im Rahmen der Spurensuche sich die zugrunde gelegte Version als falsch erweist) in die Spurensuche mit einbezogen werden können.
  • Abschließend sollten auch andere Bereiche des Tatortes auf weitere Spuren abgesucht werden.


2.2 Objektive Methode

Die Spurensuche erfolgt schematisch nach einem jeweils vorgegebenen Prinzip. Diese Vorgehensweise findet ihre Anwendung dann, wenn verschiedene Faktoren in Kombination oder einzeln gegeben sind. Dazu gehören:

sehr wenige Erkenntnisse zum Tatablauf,
keine Version zur Vorgehensweise des Täters,
relativ große Ausdehnung des Tatortes,
konkrete Bewegungskomponenten des Täters sind am Ort nicht nachvollziehbar,
Suche ist ausgerichtet ist auf das Auffinden von Gegenständen (z.B. Tatwerkzeuge, Tatmittel, Tatbeute).

Man unterscheidet verschiedene Formen6 der objektiven Vorgehensweise:

Spiralförmiges zentripetales Vorgehen: Es erfolgt eine spiralförmige Absuche von der Peripherie zum Zentrum des Tatortes.
Spiralförmiges zentrifugales Vorgehen: Die Vorgehensweise beginnt im Zentrum und endet an der Peripherie des Tatortes.
Linienförmiges Vorgehen: Das Vorgehen beinhaltet ein sukzessives bzw. paralleles Absuchen in festgelegten Bahnen.
Diagonales Vorgehen: Es ist eine Absuche in festgelegten Bahnen von verschiedenen Seiten mit Überkreuzung.
Sektorales Vorgehen: Es wird eine Unterteilung des Tatortes in mehrere Abschnitte vorgenommen, in denen nach Spuren gesucht wird. Die Vorgehensweise folgt meist der natürlichen Struktur des Ortes, wobei innerhalb der Abschnitte wieder zentripetal, zentrifugal, linienförmig oder diagonal gesucht werden kann.

Vorteilhaft bei den objektiven Methoden der Spurensuche ist, dass der Tatort sehr gründlich nach Spuren abgesucht wird und somit auch sehr viele Spuren gefunden werden. Das kann sich aber auch nachteilig auswirken, denn es werden durch diese Methode auch Trugspuren erfasst. Hinzu kommt, dass die Spurensuche mit einem relativ hohen Zeit- und Kräfteaufwand verbunden ist. Die Gefahr der Vernichtung von Mikrospuren besteht, da keine Kenntnisse zum Modus operandi vorhanden sind. Methodisch lassen sich für die objektive Suchmethode folgende Hinweise ableiten:

zuerst Zuweisung der einzelnen Suchbereiche an die eingesetzten Kräfte,
die Suchbereiche sind überlappend festzulegen, um Spurenverluste zu vermeiden,
die abgesuchten Bereiche sind eindeutig zu kennzeichnen, um später bei der Dokumentation die nötige Exaktheit zu gewährleisten.

Beide Suchmethodiken werden häufig miteinander kombiniert, um eine optimale Spurensuche zu gewährleisten. Die Methoden sind der jeweiligen Tatortsituation anzupassen.


3. Die Spurensicherung

Die Spurensicherung umfasst einen Prozess vom Erkennen bis zur operativen Nutzung bzw. der Auswertung der Spur. Ziel der Spurensicherung ist es, Sachbeweise so zu sichern, dass sie für das Verfahren nutzbar gemacht werden können und ihr Beweiswert in das Verfahren eingebracht werden kann.


3.1 Erkennen von Spuren

Das Erkennen von Spuren beruht auf den psychologischen Grundlagen der Wahrnehmung und der gedanklichen Verarbeitung der Wahrnehmungsinhalte. Vorrangig sind es optische, akustische und u.U. Geruchswahrnehmungen, die für der Tatortarbeit von Bedeutung sind. Diese Wahrnehmungen sind abhängig von der Kenntnis über den Entstehungsmechanismus der jeweiligen Spur (Erkennen von spurentragenden Bereichen in Abhängigkeit von der Begehungsweise) und von der Wahrnehmungsfähigkeit. Um die Wahrnehmungsfähigkeit zu erhöhen empfiehlt es sich, Hilfsmittel (z.B. optische Geräte, Licht) zu verwenden, insbesondere um latente Spuren sichtbar zu machen. Mit dem Erkennen von Spuren erfolgen eine Relevanzprüfung der Spur und ein Einordnen/Zuordnen in den Tatzusammenhang. Durch das Wahrnehmen und Erkennen der Spuren wird eine erste Einteilung in tatrelevant bzw. tatirrelevant vorgenommen.


3.2 Fotografie der unbeeinflussten Spur

Die fotografische Aufnahme der unbeeinflussten Spur ist durchzuführen, um zu dokumentieren, wie die Spur vor der Anwendung von Sicherungsverfahren aussieht und welche Eigenschaften sie widerspiegelt. Es besteht durch die Anwendung von Sichtbarmachungsverfahren und der kriminaltechnischen Sicherung die Gefahr, dass eine Spur beschädigt oder vernichtet wird. Mit einer fotografischen Aufnahme vor der eigentlichen Sicherung, wird die Möglichkeit geschaffen, auch bei anschließender Zerstörung der Spur diese auszuwerten.


3.3 Kennzeichnung/Nummerierung der Spur

Die erkannte Spur wird mittels Nummerntafel gekennzeichnet.

Methodisch gilt es dabei Folgendes zu beachten:

  • Eine einmal gewählte Kennzeichnung ist konstant beizubehalten, d.h. in den Dokumenten der Tatortarbeit (z.B. Spurensicherungsbericht, Tatortbefundbericht, Antrag auf kriminaltechnische Untersuchung) ist ein und dieselbe Bezeichnung zu nutzen.
  • Die Kennzeichnung der Spuren kann mit fortlaufender Nummer erfolgen. Bei größeren Tatorten empfiehlt es sich, eine Strukturierung des Tatortes vorzunehmen. Die einzelnen Bereiche des Tatortes sind zu bezeichnen (z.B. numerisch, alphanumerisch) und dieser Bezeichnung ist dann die jeweilige Spurennummer zuzuordnen.
  • Alle gekennzeichneten Spuren sind zu fotografieren (Übersichts-, Teilübersichts-, Spurenaufnahmen).


3.4 Verbale Erfassung/Beschreibung

Die Beschreibung der einzelnen Spur erfolgt nach den gleichen Grundsätzen wie die Tatortbeschreibung insgesamt.

Für die Beschreibung der Spur gilt es folgende Parameter zu erfassen:

die Nummer der Spur,
die Art der Spur,
der Auffindeort,
der Spurenträger,
äußere Merkmale der Spur (z.B. Größe, Form, Farbe),
Besonderheiten (z.B. Lage der Spur, Fremdsubstanzen in der Spur).

Diese Beschreibung ist dann auch Grundlage für die Speicherung der Informationen im anzufertigenden Spurensicherungsbericht oder Tatortbefundbericht.
Die Beschreibung wird wie folgt durchgeführt:

  • Die Spuren sind in ihrer Lage zueinander und zu am Tatort vorhandenen Objekten zu vermessen.
  • Die Erfassung kann schriftlich oder per Tonaufzeichnung erfolgen, die später in eine Protokollform übertragen wird.
  • Die Beschreibung der Spur kann durch eine Zeichnung oder Skizze dieser ergänzt werden. Diese Form der Aufzeichnung hat ausschließlich Hinweischarakter z.B. für Such- und Fahndungsmaßnahmen.


3.5 Fotografieren/Videografieren

Die Fotografie/Videografie ist eine erste Dokumentations- und Sicherungsmethode von Spuren. Sie erfolgt so, dass die Spur, die entsprechende Kennzeichnung und der Maßstab auf der jeweiligen Abbildung erkennbar sind. Maßstab und Kennzeichnung müssen für alle Dokumente einheitlich erfolgen. Maßstab und Spuren haben sich bei der fotografischen Aufnahme auf einer Ebene zu befinden. Alle Spuren sind zu fotografieren. In Ausnahmefällen können Spuren auch gezeichnet oder skizziert werden. Die Gesamtspurensituation ist zu dokumentieren.
Man unterscheidet in der Tatortfotografie8 folgende Aufnahmen:

Orientierungsaufnahmen: Sie geben einen Überblick über die Lage des Tatortes zu seiner Umgebung. Eine solche Orientierungsaufnahme ist bei großflächigen Tatorten auch aus der Luft möglich. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass beim Einsatz eines Hubschraubers in geringer Höhe durch Luftwirbel eine Veränderung der Spurensituation am Tatort möglich ist. Denkbar wäre auch ein Einsatz von „Drohnen“ zur Anfertigung von Orientierungsaufnahmen.
Übersichtsaufnahmen: Sie erfassen den eigentlichen Tatort in seinem gesamten Umfang. Abgebildet wird hier auch die gesamte Spurenlage.
Teilübersichtsaufnahmen: Sie werden gefertigt, um einen präzisen Überblick über Teilbereiche des Tatortes zu erhalten.
Spuren-/Detailaufnahmen: Dies sind Aufnahmen einzelner relevanter Spuren und Gegenstände oder Ausschnitte von ihnen, die im Zusammenhang mit dem Ereignis bestehen. Es empfiehlt sich von diesen Detailaufnahmen zwei zu fertigen, um die Lage der Spur auf dem Spurenträger zu dokumentieren und die Spur selbst abzubilden.

Neuere Aufnahmeverfahren9 ermöglichen den Tatort als Gesamtheit (360° oder 180°-Aufnahmen) zu fotografieren (z.B. 3-D-Scannen des Tatortes oder andere technische Bildmessverfahren).10 Nach Beendigung der Tatortarbeit steht somit ein „virtueller“ Tatort zur Verfügung.

Neben diesen Aufnahmeverfahren wird auch die Videografie zur Dokumentation der Tatortsituation eingesetzt. Von Vorteil ist, dass durch die Videoaufzeichnung die Dynamik des Tatortgeschehens (z.B. bei Bränden und Explosionen, schweren Schadensereignissen, Straftaten gegen die Umwelt) festgehalten werden kann. Ebenso ist es günstig, dass neben der Bild- auch eine sofortige Tonaufzeichnung erfolgen kann. Damit werden verbale Beschreibung und Bildaufzeichnung kombiniert. Neben der Funktion des Beweismittels der Videoaufzeichnung erfolgt gleichzeitig auch eine Einsatzdokumentation.

Bildmessverfahren, 3-D-Scannverfahren oder die Videografie ermöglichen im Nachhinein, dass bei Feststellung anderer als der bisher angenommenen relevanten Fakten, diese aktuellen Ermittlungserkenntnisse mit der Situation am Tatort in Beziehung gesetzt werden können. Voraussetzung ist, dass eine allumfassende Dokumentation der Ereignisortsituation erfolgte.


3.6 Kriminaltechnische Spurensicherung

Die kriminaltechnische Spurensicherung und Sicherstellung von Beweisgegenständen erfolgt zeitlich nach der verbalen Beschreibung und der fotografischen Sicherung.11 Ziel ist es, die Einzelspur in Abhängigkeit von ihrer Art und Größe, der Art des Spurenträgers mit dem günstigsten, ihren Informationsgehalt am ehesten bewahrenden kriminaltechnischen Verfahren zu sichern. Die Sicherungsart und Sicherungsverfahren sind zu dokumentieren.
Man unterscheidet die Spurensicherungsverfahren allgemein in:

Abformungsverfahren (z.B. zur Sicherung von Schuheindruckspuren, von Werkzeugspuren),
Folienabzüge (z.B. zur Sicherung von daktyloskopischen Spuren, Schuhabdruckspuren, Faserspuren),
Fotografische, videografische Sicherungsverfahren,
Sicherung im Original durch Mitnahme (z.B. Beweisgegenstände, Sicherung mit dem Spurenträger).


3.7 Verpackung und Beschriftung

Die Verpackung der Spur erfolgt mit dem Ziel, sie für das Beweisverfahren vorzuhalten und so zu kennzeichnen, dass sie eindeutig zugeordnet werden kann. Im weiteren Verlauf des Verfahrens wird die Spur zur Auswertestelle versandt.
Zu beachten ist:

Die Verpackung der gesicherten Spuren hat so zu erfolgen, dass eine Spurenzerstörung oder -veränderung ausgeschlossen ist. Dies ist besonders bei Spuren zu berücksichtigen, die einer natürlichen Veränderung (z.B. Fäulnis, Verwesung, chemische Reaktionen bei Substanzen) unterliegen.
Die Verpackung ist eindeutig zu beschriften (z.B. mittels Barcode, Strichcode). Als Angaben müssen enthalten sein:
  • die Vorgangsnummer,
  • die Spurennummer (die in allen Protokollen, Zeichnungen und Skizzen dieselbe ist),
  • die Art der Spur,
  • der Tatort und der Fundort der Spur,
  • Datum, Uhrzeit, Name des Spurensichernden,
  • der Name von Geschädigten oder Beschuldigten,
  • die sachbearbeitende Dienststelle.

Jede Spur ist separat zu verpacken.
Der Transport der Spuren ist so vorzunehmen, dass keine Beschädigungen auftreten und dass die Spuren untereinander nicht in Kontakt kommen können.


3.8 Beschaffen von Vergleichsmaterial

In Abhängigkeit von den gesicherten Spuren ist festzustellen, ob und von wem, welches Vergleichsmaterial gewonnen werden muss. Ziel der Abnahme von Vergleichsmaterial ist es, durch eine kriminaltechnische Untersuchung gesicherte Spuren dem Ereignis zuzuordnen bzw. sie als irrelevant zu klassifizieren.

Vergleichsmaterialien können sich auf die am Tatort vorgefundenen Bedingungen (z.B. Sicherung von Bodenspuren als Vergleichsmaterial) und auf Personen, die als Spurenverursacher in Frage kommen (z.B. Schuhabdruckspuren, daktyloskopische Spuren von tatortberechtigten Personen, Blut vom Opfer) beziehen. Als rechtliche Grundlage für die Abnahme von Vergleichsmaterial von Personen gelten die §§ 81a - h StPO.
Methodisch ist wie folgt vorzugehen:

Die Sicherung des Vergleichsmaterials ist zu dokumentieren. Es ist festzuhalten:
die Art des Vergleichsmaterials,
der Zeitpunkt der Sicherung des Vergleichsmaterials,
der Ort der Abnahme des Vergleichsmaterials,
von wem das Vergleichsmaterial stammt,
der die Abnahme durchführende Ermittlungsbeamte.

Das Vergleichsmaterial ist nach den gleichen Grundsätzen wie das Spurenmaterial zu sichern, zu verpacken und zu beschriften. Verwechselungsmöglichkeiten des Vergleichsmaterials untereinander oder mit Spurenmaterial müssen ausgeschlossen werden.
Es ist nicht immer erforderlich, Vergleichsmaterial unmittelbar am Tatort zu nehmen. Eine spätere erkennungsdienstliche Behandlung der in Frage kommenden Personen wie Tatortberechtigte, Zeugen, hilfeleistende Personen, eingesetzte Ermittlungsbeamte oder auch Beschuldigte kann den Untersuchungszweck ebenso erfüllen. Hier zeigt sich die Wichtigkeit der Forderung, dass die Identität aller am Tatort anwesenden Personen festzustellen ist.
Die gesicherten Spuren und das Vergleichsmaterial sind mitzunehmen und über die Tätigkeit am Tatort ist eine entsprechende Dokumentation zu fertigen.


3.9 Übergabe an eine Auswertungsstelle

In Abhängigkeit von der kriminaltechnischen Auswertungsmöglichkeit und der Nutzbarkeit als Beweismittel im Verfahren werden die Spuren der jeweiligen Untersuchungsstelle (z.B. LKÄ, gerichtsmedizinische Institute) zugeleitet. Es erfolgt eine Beantragung auf eine kriminaltechnische Untersuchung des Spurenmaterials.


4. Operative Spurenauswertung


Die operative Spurenauswertung ist Bestandteil der Tatortuntersuchung. Inhalt ist die zusammenhängende Beurteilung der Informationen und sachlichen Beweismittel, um weitere Erkenntnisse zu gewinnen über die Vorbereitung und die Planung der Tat sowie das Tatgeschehen und den Handlungsablauf.


Der Charakter der Spurenauswertung ist

diagnostischer Natur, das bedeutet, dass die Gruppenzugehörigkeit eines Objektes und individuelle Merkmale festgestellt werden und
identifikatorischer Natur, das bedeutet, dass erste Identifizierungsaufgaben (z.B. Ausschluss Tatortberechtigter) gelöst werden.

Die Ziele der Spurenauswertung bestehen darin:

die vorgefundenen sachlichen Beweismittel hinsichtlich ihrer Relevanz zu prüfen,
Widersprüche in den sachlichen Beweismitteln erkennen und ihre Ursachen feststellen,
Anhaltspunkte für Versionsbildung und Untersuchungsplanung zu finden,
Anhaltspunkte für die Feststellung weiterer Spuren zu gewinnen,
Anhaltspunkte für die Beschaffung von Vergleichsmaterial zu erhalten,
Anhaltspunkte für den Ausschluss von Tatortberechtigten festzustellen,
Präzisierungen der Sachverständigenanforderung vorzunehmen,
neue Ermittlungsrichtungen festzulegen,
Anhaltspunkte für fahndungsrelevante Informationen zu gewinnen.

Ergeben sich aus dieser operativen Spurenauswertung keine weiteren Anhaltspunkte, so ist die Tatortuntersuchung vorläufig zu beenden, die Vorläufigkeit bezieht sich auf Ergebnisse der Ermittlungen im Wahrnehmbarkeitsbereich, die u.U. neue Ansatzpunkte für die Tatortuntersuchung bringen können.


Anmerkungen

Prof. Dr. Holger Roll lehrt im Fachbereich Polizei der FHöVPR des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Der vorliegende Beitrag baut auf den Fachaufsätzen „Grundlagen der kriminalistischen Tatortarbeit“ in der „Kriminalpolizei“ 4/2017, S. 8 ff. und „Methodische Grundlagen der Tatortarbeit in der „Kriminalpolizei“ 1/2018, S. 11 ff. auf.

Vgl. (Ackermann, Clages, & Roll, Handbuch der Kriminalistik, 4. Auflage, 2011), S. 120.
Vgl. (Ackermann, Clages, & Roll, Handbuch der Kriminalistik, 4. Auflage, 2011), S. 121.
Vgl. (Leonhardt, Roll, & Schurich, 1995), S. 97/98.
(Leonhardt, Roll, & Schurich, 1995), S. 103.
Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 100.
(Roll, 2013), S. 104.
Vgl. (Ackermann, Clages, & Roll, Handbuch der Kriminalistik, 4. Auflage, 2011), S. 128.
Vgl. Arnd 2006, S. 198 oder Weiß, Rösner, 2006, S. 212.
Vgl. (Roll, 2013), S. 107.

An dieser Stelle soll keine ausführliche Darstellung der möglichen Spurensicherungsverfahren erfolgen. Verwiesen wird auf entsprechende Fachliteratur, z.B. (Frings & Rabe, Grundlagen der Kriminaltechnik I, 2011); (Frings & Rabe, Grundlagen der Kriminaltechnik II, 2011) oder die Standards der sichernden KT (abrufbar über die landespolizeilichen Informationssysteme).
An dieser Stelle soll keine ausführliche Darstellung der möglichen Spurensicherungsverfahren erfolgen. Verwiesen wird auf entsprechende Fachliteratur, z.B. (Frings & Rabe, Grundlagen der Kriminaltechnik I, 2011); (Frings & Rabe, Grundlagen der Kriminaltechnik II, 2011); (Zirk & Vordermaier, 1998). Vgl. (Leonhardt, Roll, & Schurich, 1995), 1995, S. 33.



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