Optimierung der Zusammenarbeit zwischen Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei

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Bachelor-Thesis an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung NRW

Vorgelegt 2011 von Dipl.-Ing. Stephan Bockting (Sicherheitstechnik)

bei einem Großbrand des historischen Hauberrisserhaus in Kaufbeuren (06-2022) wurde sehr gut zusammen gearbeitet.
Aufgeschlüsselt der Ablauf bzw. der Verbrauch der Brandbekämpfung:
5 FW Feuerwehren
33 Feuerwehrfahrzeuge
127 Feuerwehrleute
31 Atemschutzträger
1400 M B Schläuche
430 M C Schläuche
900.000 Ltr. Wasser
2360 Ltr. Schaummittel.
Foto: FFW Kaufbeuren
Freiwillige Feuerwehr bei der Brandbekämpfung bei einem Dachstuhlbrand
Foto: PRW
Brandbekämpfung durch die Freiwillige Feuerwehr; unterstützt von der Polizei.
Foto: Rainer Schwarz
Eine Brandstelle soll großflächig abgesperrt werden, um eine Spurensuche zu ermöglichen.
Rainer Schwarz
Die Polizei sperrt nach einem Verkehrsunfall ab.
Foto: Dipl.-Ing. Stephan Bockting.
Gut sichtbar, der Rettungsdienst.
Foto: Dipl.-Ing. Stephan Bockting.
Hubschraubereinsatz (Chritoph 13) / Luftrettung mit Nortarzt und Rettungssanitäter.
Foto: BF Bielefeld:

Inhalt:


1. Einleitung
2. Methodik
3. Rechtsgrundlagen
3.1 Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen
3.2 Strafprozessordnung
3.3 Feuerschutz- und Hilfeleistungsgesetz
4. Dienstvorschriften
5. Gemeinsame Einsatzsituationen
5.1 Einsatzführung
5.2 Zuständigkeit der Einsatzführer
6. Brände
6.1 Gefahrenabwehr bei Bränden
6.1.1 Menschenrettung
6.1.2 Unterstützen des Feuerwehreinsatzes
6.2 Strafverfolgung bei Bränden
6.2.1 Rechtliche Bedeutung der Branddelikte
6.2.2 Grundlagen der Brandursachenermittlung
7. Verkehrsunfälle
7.1 Gefahrenabwehr bei Verkehrsunfällen
7.1.1 Absicherung von Unfallstellen
7.1.2 Medizinische Versorgung verletzter Personen
7.2 Strafverfolgung und Zivilrecht bei Verkehrsunfällen
7.2.1 Grundlagen der Tatortaufnahme bei Verkehrsunfällen
7.2.2 Technische Rettungsmaßnahmen


8. Einsatz nicht bodengebundener Rettungsmittel
8.1 Einsatzmöglichkeiten der Luftrettung
8.2 Polizeiliche Unterstützung beim Hubschraubereinsatz
9. Optimierungsansätze
9.1 Integration in die Aus- und Fortbildung
9.2 Maßnahmen auf organisatorischer Ebene
10. Fazit


  • Literaturverzeichnis
  • Quellenverzeichnis



Abkürzungsverzeichnis


  • AAO Allgemeine Aufbauorganisation
  • ADAC Allgemeiner Deutscher Automobilclub
  • Art. Artikel (Grundgesetz)
  • BAO Besondere Aufbauorganisation
  • BASt Bundesanstalt für Straßenverkehr
  • CO Kohlenmonoxid
  • DGL Dienstgruppenleiter
  • DRF Deutsche Rettungsflugwacht
  • FSHG NRW Feuerschutz- und Hilfeleistungsgesetz des Landes Nordrhein – Westfalen
  • FuStKw Funkstreifenkraftwagen
  • FwDV Feuerwehr – Dienstvorschrift
  • GE Gefahrenabwehr / Einsatz
  • GG Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
  • HLF Hilfeleistungs- Löschfahrzeug
  • RTH Rettungshubschrauber
  • LAFP NRW Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein - Westfalen
  • LF Leitfaden
  • PDV Polizeidienstvorschrift
  • PI Polizeiinspektion
  • PKS Polizeiliche Kriminalstatistik
  • PolG NRW Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen
  • PVB Polizeivollzugsbeamter
  • PVD Polizeivollzugsdienst
  • RTH Rettungshubschrauber
  • SER Standard-Einsatzregeln
  • StPO Strafprozessordnung
  • StVO Straßenverkehrsordnung
  • TUIS Transportunfall-Informationssystem der Chemischen Industrie
  • VU Verkehrsunfall


1. Einleitung

Dichter Rauch dringt aus der Eingangstür eines Wohnhauses. Beißender Brandgeruch liegt in der Luft. Hinter den Fenstern ist Feuerschein zu erkennen. Aufmerksame Passanten haben den Notruf abgesetzt, Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei sind auf dem Weg zum Brandort. Situationen wie diese gehören zur Tagesordnung im Wach- und Wechseldienst einer Großstadt. Manches vermeintliche Schadenfeuer entpuppt sich als angebranntes Essen oder kokelnde Mülltonne, aber gleichwohl kann die Einsatzkräfte vor Ort ein Brandereignis erwarten, dass Menschen in akute Lebensgefahr bringt. Schnelles und umsichtiges Handeln aller Beteiligten ist dann unverzichtbar: Die Feuerwehr rettet die Menschen und löscht die Flammen, die Polizei sperrt die Einsatzstelle ab und ermittelt die Brandursache - soweit die Theorie. Doch nicht selten finden sich danach in den Medien solche Schlagzeilen: "Polizist rettet Anwohner aus den Flammen!" Aber auch: "Wohnungsbrand - Bewohner und Polizisten bei Rettung verletzt"


Szenenwechsel: Auf einer Hauptverkehrsstraße ist es zu einem Verkehrsunfall gekommen. Verletzte sind in deformierten Fahrzeugen eingeklemmt. Die Polizei sichert die Unfallstelle ab, leitet den Verkehr großräumig um, verständigt Angehörige und ermittelt Zeugen. Die Feuerwehr befreit mit technischem Gerät die Eingeschlossenen, nimmt ausgelaufene Kraftstoffe auf und der Rettungsdienst leitet die Erstversorgung ein. Wird ein Rettungshubschrauber benötigt, sichert die Polizei den Landeplatz. Offensichtlich ist die Schnittmenge trotz normierter Aufgabenverteilung in der Praxis größer und nicht so trennscharf wie es die einschlägigen Gesetze vermuten lassen (siehe hierzu auch Kapitel 3). Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei arbeiten an Einsatzstellen Hand in Hand. Man kennt sich aus zahlreichen Einsätzen und weiß die Arbeit gegenseitig zu schätzen. Dennoch kann es im Dienstalltag zu Maßnahmen kommen, die dem jeweils anderen die Arbeit unnötig erschweren. Doch wie soll sich ein Polizist, der als erster am Brandort eintrifft, verhalten? Soll er sich auf das Freihalten der Rettungswege und Bewegungsflächen konzentrieren und die Menschen im brennenden Haus zuständigkeitshalber an die Feuerwehr verweisen? Welche Wirkung hätte dies auf Eingeschlossene und Zuschauer? Kann die Feuerwehr bei der Rettung eingeklemmter Unfallopfer Rücksicht auf Unfallspuren nehmen? Ist dies anlässlich schwerverletzter Menschen, die dringender Hilfe bedürfen, nicht belanglos? Und wie kann die Polizei den Einsatz eines Rettungshubschraubers sinnvoll unterstützen? Diese und weitere Fragen sollen im Folgenden mit dem Ziel analysiert werden, das Zusammenwirken von Feuerwehr und Polizei im Dienstalltag zu optimieren.


2. Methodik

Aufbauend auf den rechtlichen Grundlagen werden zunächst anhand ausgewählter Situationen die spezifischen Aufgaben gegenübergestellt und so die Bedürfnisse der Einsatzkräfte abgeleitet. Angesichts des äußerst umfangreichen Einsatzspektrums beider Sicherheitsbehörden musste hier zwangsläufig eine Auswahl erfolgen, um dem Thema in einer Tiefe gerecht zu werden, die weder den vorgegebenen Rahmen sprengt, noch zu sehr an der Oberfläche bleibt. Großschadenslagen oder Amoktaten werden an dieser Stelle nicht betrachtet; sie sind selten und gehen ohnehin mit einer ganz eigenständigen Dynamik und Führungsstruktur einher. Vielmehr liegt der Fokus hier auf Maßnahmen, die tagtäglich die Zusammenarbeit zwischen Feuerwehr und Polizei erforderlich werden lassen und demzufolge auch das meiste Potenzial für die Optimierung der gemeinsamen Arbeit bieten.

Neben den rechtlichen Aufgabenzuweisungen werden Dienstvorschriften, Praxisbeispiele und Einsatzberichte, sowie einschlägige Literatur zu Schwerpunktthemen und zur Aus- und Fortbildung von Feuerwehrmännern wie Polizisten betrachtet. Schon beim Studium der Literatur stellte sich heraus, dass auf beiden Seiten zwar hinreichend Literatur vorhanden ist, diese jedoch nahezu ausschließlich die eigene Arbeit beleuchtet. Ausführungen zur Zusammenarbeit beider Institutionen sind erstaunlich dünn gesät, obwohl jene für beide im täglichen Dienst immer wieder von Bedeutung ist. Der letzte Artikel der sich ausführlich mit diesem Thema befasst, stammt aus dem Jahr 1990. Um an dieser Stelle neben der Theorie gleichermaßen die Einsatzpraxis der Feuerwehr kennenzulernen, hatte der Verfasser die Möglichkeit, einige Tage im Einsatzdienst der FEUERWEHR BREMEN zu hospitieren und so die Arbeit der Feuerwehr aus eigener Anschauung "hautnah" kennenzulernen. Dieser Einblick war für diese Thesis ausgesprochen hilfreich.


3. Rechtsgrundlagen

Zur Einordnung der gesetzlich zugewiesenen Aufträge seien zunächst die juristischen Grundlagen betrachtet, nach denen Feuerwehr und Polizeibehörden tätig werden. Diese Rechtsvorschriften sind Landesrecht, mit Ausnahme der unter 3.2 vorgestellten Strafprozessordnung (StPO). An dieser Stelle wird mit dem Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) und dem Feuerschutz- und Hilfeleistungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (FSHG) beispielhaft auf die Gesetzgebung in Nordrhein-Westfalen (NRW) zurückgegriffen, gleichwohl unterscheiden sich die Vorgaben anderer Bundesländer nur in Nuancen.


3.1 Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen

Wenngleich die Schnittmenge fließend verläuft, so orientiert sich die Arbeit der Polizei grundsätzlich an zwei Zielrichtungen: Gefahrenabwehr und Strafverfolgung. Rechtsgrundlage für alle polizeilichen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ist in Nordrhein-Westfalen das PolG NRW. Die Zuständigkeit wird in der Einleitung des Normtextes verdeutlicht:
"Die Polizei hat die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren (Gefahrenabwehr). (...) Sind (...) neben der Polizei andere Behörden für die Gefahrenabwehr zuständig, hat die Polizei in eigener Tätigkeit zuständig zu werden, soweit ein Handeln anderer Behörden nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint (...)."

Eine Gefahr für die Öffentliche Sicherheit und Ordnung liegt immer dann vor, wenn Aufgrund einer Situation oder eines Ereignisses wahrscheinlich ist, dass ein polizeilich zu schützendes Rechtsgut Schaden nehmen könnte oder ein Schaden bereits eingetreten ist. Für diese Betrachtung speziell die persönlichen Rechtsgüter auf körperliche Unversehrtheit nach Artikel (Art.) 2(2) Grundgesetz (GG) und Eigentum nach Art. 14 GG von Bedeutung: Unfälle oder Brände führen unweigerlich zu Zerstörung oder zumindest erheblicher Beschädigung von Objekten, so dass für deren Besitzer ein Wertverlust des Eigentums unstreitig ist. Ebenso werden dabei regelmäßig Menschen verletzt und somit deren Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit angegriffen. Durch konkrete polizeiliche Maßnahmen werden im Einzelfall noch weitere Rechtsgüter tangiert.
Originär ist die Polizei nur zur Gefahrenabwehr im Sinne vorbeugender Bekämpfung von Straftaten zuständig (§ 1(2) PolG NRW). Subsidiär tritt sie ferner immer dann in Aktion, wenn die eigentlich zuständige Behörde dies nicht oder nicht rechtzeitig kann. Sowohl für die Brandbekämpfung als auch zur Hilfeleistung bei Unfällen liegt die originäre Zuständigkeit bei der Feuerwehr (vergleiche Absatz 3.3). Diese kann jedoch unter Umständen nur dann effektiv tätig werden, wenn sie vor Ort durch die Polizei bei den Aufgaben unterstützt wird, die sie selbst nicht leisten kann; beispielsweise durch Zurückhalten von Schaulustigen, weiträumiges Absperren des Einsatzortes oder absichern des Verkehrs an Einsatzstellen.
Zur Veranschaulichung mag folgendes Beispiel dienen:
Wird die Feuerwehr durch Schaulustige behindert, kann die Polizei nach § 34(1) S.2 PolG NRW einen Platzverweis aussprechen und diesen bei Zuwiderhandlung auch zwangsweise gemäß § 50ff. PolG NRW durchsetzen. Bei Notwendigkeit bis hin zur Ingewahrsamnahme des Störers (§ 35 (1) Nr. 3 PolG NRW.

Der Feuerwehr steht die Möglichkeit des Platzverweises rechtstheoretisch ebenso zu , dessen ungeachtet kann sie dieses Recht jedoch am Einsatzort zumeist weder personell noch praktisch ausüben. Ähnlich stellt sich die Situation bei verkehrslenkenden Maßnahmen dar: Hier liegt die originäre Zuständigkeit nach § 1(4) PolG NRW i.V.m. § 44 (2) Straßenverkehrsordnung (StVO) bei der Straßenverkehrsbehörde und daraus resultierend subsidiär bei der Polizei: Sie kann den Verkehr ab- oder umleiten. Gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern sind Polizeibeamte weisungsbefugt. De facto kann eine Absperrmaßnahme durch die Feuerwehr allein schon durch die Abstellposition der großen Einsatzfahrzeuge auf der Straße und die Absicherung der Unfallstelle gegeben sein. Ein Verkehrsmanagement, welches Verkehrssicherheit und Verkehrsfluss gewährleistet und überdies den nötigen Raum für Einsatzmaßnahmen oder weitere Einsatzfahrzeuge freihält, verlangt deutlich mehr.


3.2 Strafprozessordnung

Polizeimaßnahmen mit strafverfolgendem Charakter leiten sich aus der StPO ab. Gemäß §1(4) PolG NRW i.V.m. §163 StPO sind die Beamten des Polizeidienstes zur Erforschung von Straftaten mit weit reichenden Befugnissen ausgestattet (sogenannte "Generalklausel der Strafverfolgung"). Dazu können sie unter anderem "alle Behörden um Auskunft ersuchen (...) sowie Ermittlungen jeder Art vornehmen". Außerdem werden in zahlreichen weiteren StPO-Normen konkrete Ermittlungstätigkeiten spezifiziert, beispielsweise die Vernehmung von Zeugen und Tatverdächtigen (§ 163 StPO/ § 163a i.V.m. § 136 StPO), Sicherstellung und Beschlagnahme von Beweismitteln (§ 94 StPO / § 98 StPO) oder Durchsuchung von Wohnungen und Personen (§ 102 StPO / § 103 StPO). Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der StPO ist stets der Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung, vorsätzliches Handeln hingegen ist nicht erforderlich.
Für die hier betrachteten Einsatzsituationen liegt diese Bedingung nahezu immer vor:
Sobald Personen gesundheitlich geschädigt wurden, steht mindestens eine fahrlässige Körperverletzung nach § 229 StGB im Raum. Bei Bränden kommen Brandstiftungsdelikte gemäß § 306ff StGB in Betracht, bei Verkehrsunfällen zudem noch Verstöße gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften. Zur konkreten strafrechtlichen Relevanz der einzelnen Normen sei auf die noch folgenden Kapitel verwiesen.


3.3 Feuerschutz- und Hilfeleistungsgesetz

Wie das PolG NRW Basis polizeilichen Handelns ist, so ist das FSHG Rechtsgrundlage für Tätigkeiten der Feuerwehr. Anders als in der polizeilichen Gefahrenabwehr, sind im Bereich des Brandschutzes durch das Land nur einige wenige zentrale Stellen vorgesehen, zum Beispiel die zentrale Landesfeuerwehrschule "Institut der Feuerwehr" in Münster. Darüber hinaus beschränkt sich das Land darauf, dass es "erforderliche zentrale Maßnahmen trifft" und "den Feuerschutz und die Hilfeleistung fördert". In der Verantwortung für alle übrigen Aufgaben des Brandschutzes und der Unfallhilfe sind vielmehr die Gemeinden: "Die Gemeinden unterhalten den örtlichen Verhältnissen entsprechend leistungsfähige Feuerwehren, um Schadenfeuer zu bekämpfen sowie bei Unglücksfällen und bei solchen öffentlichen Notständen Hilfe zu leisten, die durch Naturereignisse, Explosionen oder ähnliche Vorkommnisse verursacht werden." Aufsichtsbehörden für die Belange des Brandschutzes sind der Landrat bzw. die Bezirksregierung bei kreisfreien Städten, oberste Aufsichtsbehörde ist das Innenministerium.


4. Dienstvorschriften

Neben rechtlichen Vorgaben bilden die Dienstvorschriften das Gerüst für alle zu treffenden Maßnahmen. Dienstvorschriften sind verbindlich und Basis des täglichen Dienstes, ohne dabei den Charakter einer Norm zu haben. Auf Seiten der Polizei und ebenfalls für den Bereich der Feuerwehr gelten eine Vielzahl verschiedener Dienstvorschriften. Sie können grundsätzliche Themengebiete behandeln oder explizit auf eine ganz bestimmte Fragestellung zugeschnitten sein. So existiert mit der Polizeidienstvorschrift (PDV) 100 "Führung und Einsatz" eine weit gefasste Grundlage des Einsatzdienstes, ebenso aber z.B. mit der PDV 389 "Vermisste, unbekannte Tote, unbekannte hilflose Personen" eine Vorgabe für ein sehr spezielles Thema. Bei der Feuerwehr stellt sich die Situation ähnlich dar, hier sei einerseits auf die Feuerwehr-Dienstvorschrift (FwDV) 1 "Grundtätigkeiten – Lösch- und Hilfeleistungseinsatz -", andererseits auf die FwDV 7 "Atemschutz" verwiesen.

Ergänzend zu den Dienstvorschriften sind bei der Polizei ferner Leitfäden (LF) gebräuchlich, bei denen es sich in Abgrenzung zu einer PDV nur um Richtlinien handelt. Ein LF stellt also eine Handlungsempfehlung dar, ohne rechtsverbindlich zu sein. Als Beispiel sei der LF 371 "Eigensicherung" genannt, der an späterer Stelle noch einmal zitiert wird.
Auf Seiten der Feuerwehr haben sich Standard-Einsatz-Regeln (SER) etabliert, die als Vorgabe für immer wiederkehrende Schadensereignisse dienen. So wird gewährleistet, dass gleichgelagerte Einsätze auch auf die gleiche Art und Weise abgearbeitet werden, egal wie sich die Mannschaft vor Ort gerade zusammensetzt.


5. Gemeinsame Einsatzsituationen

Feuerwehr und Polizei werden oftmals am gleichen Einsatzort gemeinsam tätig. Sie sind in vielerlei Hinsicht auf gute Zusammenarbeit angewiesen, um erfolgreich arbeiten zu können. Entsprechend heißt es dann auch in der PDV 100 "Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung obliegt ungeachtet der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung in erster Linie Behörden (...).
Dazu ist (...) Zusammenarbeit geboten".

Auf örtlicher Ebene hat diese Zusammenarbeit einen besonderen Stellenwert. Einzelbeispiele für örtliche Zusammenarbeit werden in den späteren Kapiteln vorgestellt, wenn sie von besonderer Relevanz sind.
Die Notwendigkeit bei der folgenden Betrachtung gemeinsamer Einsatzszenarien eine Auswahl zu treffen, ergibt sich zwangsläufig aus der Vielfalt polizeilicher und nichtpolizeilicher Aufgaben. Warum an dieser Stelle auf besondere Einsatzlagen verzichtet und der Schwerpunkt stattdessen auf "Standard-Einsätze" gelegt worden ist, wurde bereits bei der Vorstellung der Methodik dargestellt. Gleichwohl bleibt diese Auswahl natürlich subjektiv und kann daher nicht den Anspruch erheben, einem jeden gerecht zu werden, der sich anhand von Beispielen mit der vorgelegten Thematik befassen mag. Polizeivollzugsbeamte (PVB) im Wach- und Wechseldienst begegnen der Feuerwehr und dem Rettungsdienst häufig bei Bränden, bei Verkehrsunfällen oder wenn sie bei der Landung eines Rettungshubschraubers unterstützen. Solchen Szenarien gelten daher die folgenden Kapitel. Da es in jedem Einsatz einer klar definierten Führungsstruktur bedarf, ist die Erläuterung der Einsatzleitung vorangestellt.


5.1 Einsatzführung

Wenn Polizei und Feuerwehr tätig werden, ist es zu einem Geschehen mit akuter Bedrohung für Menschen und Sachwerte gekommen. Hilfe muss kompetent und schnell erfolgen, jeder Handgriff sitzen und jede Maßnahme im Zusammenspiel mit der Gesamtlageentwicklung betrachtet werden. Folglich muss es auch einen Verantwortlichen geben, der das Geschehen koordiniert und führt.

Die Führungsprinzipien der Polizei / Kriminalpolizei und der Feuerwehr unterscheiden sich im Grundsatz nur unwesentlich. Führungskräfte geben ihre Vorgaben an die Führer der Untereinheiten in Auftragstaktik weiter, sodass diese eigenständig mit den ihnen zugewiesenen Kräften tätig werden können. Anschließend werden die Maßnahmen kontrolliert und die Situation neu bewertet, woraus sich neue Aufträge ergeben können und ein Regelkreis entsteht.


Leitung Polizei.
Foto: Dipl.-Ing. Stephan Bockting.

5.2 Zuständigkeit der Einsatzführer

Da die Aufgaben von Polizei und Feuerwehr unterschiedlich sind, werden auch für beide Bereiche eigenständige Führungskräfte tätig. Führungskraft der Polizei ist bei Einsatzbearbeitung nach der allgemeinen Aufbauorganisation (AAO) der Streifenführer oder bei größeren Einsätzen der Dienstgruppenleiter (DGL) der zuständigen Polizeiinspektion (PI). Er teilt als Polizeiführer vor Ort seine Kräfte nach Verfügbarkeit und Aufgaben ein. Bei größeren Schadensereignissen kann im Rahmen einer besonderen Aufbauorganisation (BAO) auch ein anderer Polizeibeamter die Position des Polizeiführers einnehmen, z.B. der DGL der Leitstelle oder ein Beamter des höheren Dienstes.

Eine Vorgabe für diese Führungssystematik lässt sich nicht direkt aus dem PolG ableiten, vielmehr wird die Führungsstruktur in der PDV 100 festgelegt.
Was für die Polizei der Polizeiführer, ist für die Feuerwehr der Einsatzleiter. Die Feuerwehr-Dienstvorschrift "Führung und Leitung im Einsatz" (FwDV 10) stellt dazu fest: "Grundlage für die Leitung von Einsätzen zur Gefahrenabwehr sind die gesetzlichen Regelungen der Länder, insbesondere das Feuerwehrrecht."


Im FSHG heißt es:
"Bei der Erfüllung der Aufgaben nach § 1 Abs. 1 [FSHG, siehe unter 3.3] leitet der von der Gemeinde bestellte Einsatzleiter die Abwehrmaßnahmen."
Feuerwehren sind kommunale Einrichtungen, Feuerwehrkräfte demnach "von der Gemeinde bestellt" im Sinne des FSHG. Ob es sich dabei um Beamte der Berufsfeuerwehr oder um ehrenamtliche Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr handelt, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass stets die Anwesenheit eines Einsatzleiters gewährleistet sein muss. Beim Einsatz nur eines Fahrzeuges ist dies der Fahrzeugführer, vergleichbar mit dem Streifenführer der Polizei, jedoch in der Regel aus dem mittleren Dienst. Beim Einsatz mehrerer Fahrzeuge, zum Beispiel eines Löschzuges, leitet ein Zugführer den Feuerwehreinsatz als Einheitsführer. Sind mehrere Einheiten tätig, rückt ein Verbandsführer zur Einsatzstelle aus; dabei handelt es sich zumeist um einen Beamten des höheren feuerwehrtechnischen Dienstes. Im Unterschied zum Polizeiführer ist der Einsatzleiter stets vor Ort. Bei Bedarf wird dort auch durch die Feuerwehr auch ein Stab eingerichtet. Entsprechende Technik und Räumlichkeiten werden dazu vorgehalten, örtlich unterschiedlich als Fahrzeug oder als Abrollcontainer.
In zahlreichen ausgewerteten Einsatzberichten wurde aus Sicht der Feuerwehr auf die notwendige Zusammenarbeit mit der Polizei auf Führungsebene verwiesen, so bei einem Großbrand eines Baumarktes in Oberhausen: "Die Zusammenarbeit der vielen verschiedenen Behörden- und Interessensvertreter (Feuerwehr, Polizei, Wasserschutzpolizei, THW, [...]) gestaltete sich unter der Moderation und Führung des Einsatzleiters der Berufsfeuerwehr Oberhausen überaus produktiv" oder im Rahmen der Evakuierung des Bahnhofs Bielefeld beim Brand eines ICE-Triebkopfes: "Erst durch die Anforderung der Landespolizei wurde eine Räumung und Absperrung des Bahnhofs ermöglicht".

In Einzelfällen kann jedoch ein Konfliktpunkt entstehen, wenn vor Ort unterschiedliche Auffassungen darüber herrschen, ob es sich um eine Polizei- oder Feuerwehrlage handelt und welche Führungskraft den grundsätzlichen Weg vorgibt. Eine Absprache zwischen beiden Einsatzführern ist unabdingbar, auch wenn sich die Aufgabenbereiche nicht zwangsläufig überschneiden. Voraussetzung für diese Absprache ist, dass der jeweils andere weiß, wie er seinen Ansprechpartner erkennt. Hier ist die Polizei im Vorteil, weil sowohl die Einsatzleitfahrzeuge als auch Führungskräfte der Feuerwehr deutlich gekennzeichnet sind und die Hierarchien der Einsatzleitung durch Rückenaufschriften oder Überwurfwesten deutlich werden, die die jeweilige Funktion der Einsatzkraft angeben.

Ein Polizeiführer oder Abschnittsleiter ist für Außenstehende hingegen nicht so leicht ausfindig zu machen. Ein Problem nicht nur für die Feuerwehr, sondern für alle Beteiligten vor Ort. Die Uniform des Polizisten lässt nur einen Rückschluss auf den Dienstgrad zu (und auch das nur dann, wenn dem Betrachter das System der Kennzeichnungen vertraut ist). Eine klare Unterscheidung in Dienstgrad- und Funktionskennzeichnung im Alltagsgeschehen ist bei der Polizei in NRW weitgehend unbekannt. Ein Praxisbeispiel aus Bremen verdeutlicht, mit welch einfachen Mitteln eine solche Kennzeichnung zu realisieren ist: Hier trägt der Verantwortliche der Polizei eine Weste mit der Aufschrift "Polizei Leitung". Sein Fahrzeug ist darüber hinaus mit einem Wechselschild "Einsatzleitung" versehen. Siehe dazu auch Kapitel 11.1 im Bildteil.


6. Brände

Beim Thema Feuerwehr gilt der erste Gedanke nahezu zwangsläufig Brandeinsätzen - nomen est omen. An dieser Stelle soll es ebenso sein, allerdings nicht ohne zu erwähnen, dass die überwiegende Anzahl der Einsätze von Feuerwehren in der Regel eben nicht den Bränden gilt, sondern technischen Hilfeleistungen. Dort, wo auch die medizinische Notfallrettung in den Händen der Feuerwehr liegt, macht diese den absolut überwiegenden Teil des Einsatzgeschehens aus.

Im Jahr 2008 verzeichnete die Statistik des Deutschen Feuerwehrverbandes insgesamt 196.713 Brandeinsätze in Deutschland.
Im gleichen Jahr kamen in Deutschland durch "Exposition gegenüber Rauch, Feuer und Flammen" 398 Menschen ums Leben. (Hinweis: Hier liegen zwar schon Daten aus dem Jahr 2009 vor, bei der Feuerwehrstatistik ist dies jedoch nicht der Fall, so dass zu Gunsten der Schlüssigkeit der Gesamtbetrachtung ausnahmsweise nicht das aktuelle Datenmaterial verwendet wird. Für die Aussagekraft ist dies jedoch unerheblich).
Über die Dimension von Brandschäden sagen absolute Einsatzzahlen relativ wenig aus, denn sowohl der Brand eines Müllcontainers, als auch der einer Lagerhalle wird als je ein Brandereignis gewertet. Interessant ist daher ein Blick in die Statistiken der Versicherer: Hier wurden 2008 für die Regulierung von Brandschäden durch Feuer-, Hausrat- und Wohngebäudeversicherungen rund 2,3 Milliarden Euro aufgewendet.
Angesichts dieser Zahlen wird die Bedeutung eines Brandes deutlich, nicht nur für die unmittelbar Betroffen, sondern für die Volkswirtschaft im Allgemeinen. Ziel aller Beteiligten kann daher nur sein, Brandereignisse zu verhindern oder aber diese schnellstmöglich einzudämmen und den Schaden auf ein Minimum zu reduzieren.

Bei Bränden werden Polizei und Feuerwehr zusammen an der Einsatzstelle tätig. Während der Fokus der Feuerwehr auf der Gefahrenabwehr liegt, stellt ein Brandereignis für die Polizei eine Gemengelage dar, bei Aspekte der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung zu berücksichtigen sind. Die taktischen Ziele der Polizei bei Bränden sind:

  • „gewinnen weiterer Erkenntnisse zur Gefahrenlage und zum Schadensausmaß
  • Abwehren von Gefahren für Leben, Gesundheit und bedeutende Sachwerte
  • Erforschen der Brandursache
  • Sicherstellen einer beweissicheren Strafverfolgung“

Jeder Brandort ist eine Gefahrenstelle, kann aber ebenso ein Tatort im kriminalistischen Sinne sein.
"Gefahrenabwehr vor Strafverfolgung" gilt als polizeiliches Grundprinzip auch uneingeschränkt für Brandeinsätze: "Um Gesundheit und Leben von Menschen und Tieren sowie Sachwerte zu schützen oder zu retten, haben die Rettungs- und Löscharbeiten der Feuerwehr bei Bränden zunächst absoluten Vorrang". Die Bedeutung beider Aufgabengebiete wird hier besonders deutlich: Menschenleben und erhebliche Sachwerte können akut bedroht sein und ihre Rettung verlangt nach sofortigem Einschreiten. Gleichwohl steht möglicherweise ein Verbrechenstatbestand nach § 306ff StGB im Raum (siehe Kap. 6.2.1). Im Folgenden werden daher Brandeinsätze getrennt unter beiden Aspekten betrachtet.


6.1 Gefahrenabwehr bei Bränden

Schadenfeuer bergen eine Vielzahl verschiedenster Gefahren. Für die Polizei wird die Eigensicherung bei Bränden im LF 371 mit dem Schwerpunkt Atemgifte thematisiert. Auf Seiten der Feuerwehr-Einsatzlehre wird eine Gefahrenmatrix zur Einschätzung von Gefahren der Einsatzstelle verwendet, diese folgt dem Schema AAAA C EEEE – Atemgifte, Angstreaktionen, Ausbreitung, Atomare Strahlung, Chemische Stoffe, Erkrankung/Verletzung, Explosion, Einsturz, Elektrizität. Allein das hier zitierte Feuerwehr-Fachbuch „Gefahren der Einsatzstelle“ ist 223 Seiten stark, sodass für den feuerwehrtechnischen Laien zu erahnen ist, wie vielfältig die Gefahren der Einsatzstelle tatsächlich sind. Polizeibeamte müssen keineswegs alle diese Risiken kennen. Gefahrenabwehr bei Bränden ist und bleibt originäre Aufgabe der Feuerwehr. Was Polizisten jedoch benötigen, ist eine Sensibilität für das komplexe Gebilde „Brandeinsatz“, denn ein solcher fordert die Polizei ebenfalls: Häufig treffen Polizeibeamte vor der Feuerwehr am Brandort ein und müssen erste Maßnahmen treffen. Ebenso kann der Einsatz der Feuerwehr durch zielgerichtete Polizeimaßnahmen unterstützt werden. Konkrete Beispiele werden in den nächsten Kapiteln aufgezeigt.


6.1.1 Menschenrettung

Körperliche Unversehrtheit und das Leben selbst sind die höchsten Güter des Menschen. Durch thermische und insbesondere toxische Einwirkungen können Brände eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit eines Menschen darstellen. Weitere Risiken können aus dem Einsturz brennender und somit instabiler Gebäudeteile, freiliegenden elektrischen Leitungen oder austretenden Gefahrstoffen entstehen. Eine große Gefahr durch Hitze und Atemgifte ist an jeder Brandstelle präsent. Wenige Atemzüge können je nach Zusammensetzung des Brandrauches tödlich sein: Zum einen wird der lebensnotwendige Sauerstoff der Umgebung durch Atemgifte verdrängt, zum anderen wirken Giftstoffe unmittelbar toxisch.

Diese Unterscheidung ist für die Eigensicherung sehr wichtig: Gegen Atemgifte in der Umgebungsluft können Schutzmasken oder Filter, sowie die auf den Funkstreifenkraftwagen (FuStKw) mitgeführten Fluchthauben kurzfristig helfen, etwa zum Verlassen verrauchter Bereiche. Ist hingegen die gesamte Umgebung sauerstoffarm, kann kein Filter die Gefahr abwenden und der Tod durch ersticken ist die Folge.

Die insbesondere in den 1980er - Jahren vermehrte Nutzung von Kunststoffen bei Wohnraumgestaltung und Innenarchitektur führt zu diversen chemischen Bestandteilen des Brandrauches, die beim Einatmen zur Reizung der oberen Atemwege und Störung des Gasaustausches in der Lunge führen, in der Regel verbunden mit Verletzungen durch die thermische Einwirkung. Mediziner sprechen in diesem Fall von Rauchgasintoxikation und Inhalationstrauma . Die größte Gefahr geht von Kohlenmonoxid (CO) aus.

Dieses Gas entsteht beispielsweise bei unvollständiger Verbrennung in geschlossenen Räumen. Nach dem Einatmen verbindet es sich mit dem Blut, wodurch der Sauerstofftransport im Körper unmöglich wird. Dies führt zum sogenannten „inneren Ersticken“. Besonders tückisch ist CO, weil es völlig farb-, geschmack- und geruchlos ist. Nur die Feuerwehr kann mit umluftunabhängigen Atemschutzgeräten solche Räume gefahrlos betreten. Befinden sich Personen in brennenden oder verrauchten Räumen, besteht akute Lebensgefahr. Oberstes Ziel ist es also, diese Personen sofort aus diesen Bereichen heraus in Sicherheit zu bringen. Trifft die Polizei vor der Feuerwehr ein, geraten die Beamten in die Situation, dass sie sich mit der – grundsätzlich durchaus berechtigten – Erwartungshaltung der Betroffenen und Beobachter konfrontiert sehen, unmittelbar zu helfen. Dabei müssen sie jedoch eine äußerst sensible Risikoabwägung treffen, um sich nicht selbst einer Gefahr auszusetzen, die außer Verhältnis zum gewünschten Einsatzerfolg steht. Rauch und Flammen unterscheiden nicht zwischen Bewohnern und Hilfskräften. Polizisten werden innerhalb von Sekunden von Rettern zu Opfern, wenn sie sich zu weit in den Gefahrenbereich wagen. Der Feuerwehr bleibt dann nicht nur die Aufgabe, unmittelbar Betroffene zu retten, sondern auch noch Einsatzkräfte der Polizei, was die Ressourcen der Brandbekämpfung gerade in der Anfangsphase eines Einsatzes unnötig bindet.
Für Polizeibeamte gilt daher der Grundsatz, verrauchte Objekte nur im absoluten Ausnahmefall und maximal bis zur Rauchgrenze zu betreten. Selbst dabei ist größte Vorsicht geboten, denn ein Brandgeschehen entwickelt sich äußerst dynamisch: ein gerade noch rauchfreier Treppenraum, durch den Polizisten Bewohner ins Freie führen wollen, kann innerhalb kürzester Zeit völlig verraucht sein, beispielsweise durch schlagartiges Bersten eines Fensters oder das Durchbrennen einer Tür.

Wird die Polizei vor Eintreffen der Feuerwehr tätig um Bewohner zu warnen, muss sie berücksichtigen, dass eine Evakuierung nur in Absprache mit der Feuerwehr einsatztaktisch sinnvoll ist, denn diese kann die Gefahren präziser einschätzen und entsprechende Maßnahmen treffen (Fluchthauben, Retten über Leitern, etc.). Sehr wertvoll sind in jedem Fall eine Befragung der Zeugen und das Einrichten einer Sammelstelle, an denen alle Bewohner registriert werden, die sich definitiv nicht mehr im Gebäude aufhalten. So lässt sich die Zahl derer abschätzen, die sich unter Umständen noch im Brandobjekt befinden.

Ein praktisches Beispiel, wie die Polizei in den dramatischen ersten Minuten eines Einsatzes bei der Rettung von Menschen aus Lebensgefahr helfen konnte, zeigte sich beim Großbrand eines Wohnhauses in Ludwigshafen im Februar 2008: Zufällig war eine große Anzahl Polizeikräfte in unmittelbarer Nähe und rettete von Rauch und Feuer eingeschlossene Menschen über das Dach eines vor dem Haus geparkten Fahrzeuges und über Schiebleitern der Feuerwehr bzw. unterstützten die Feuerwehr dabei. Ebenso spannten Polizisten ihre Jacken auf, um damit ein Kleinkind aufzufangen, welches aus dem 3. Stock des Brandobjektes geworfen wurde. Ergänzend sei angemerkt, dass die überwiegende Zahl der Getöteten bei Bränden dem Brandrauch zum Opfer fällt. Tatsächliches Verbrennen ist nur sehr selten todesursächlich. So sind auch beim Großbrand des Terminals am Flughafen Düsseldorf im April 1996 alle Opfer an einer Vergiftung durch Brandrauch verstorben. Gesundheitsgefahren durch Brandrauch sind selbst unter freiem Himmel nicht zu unterschätzen. Die FwDV 3 sieht daher auch bei Einsätzen außerhalb von Gebäuden Atemschutz für Feuerwehrkräfte vor, beispielsweise bei Bränden von Kraftfahrzeugen oder Containern.


6.1.2 Unterstützen des Feuerwehreinsatzes

Die unmittelbare Menschenrettung bei Bränden liegt in den Händen der Feuerwehr, dies hat das vorherige Kapitel deutlich gemacht. Die Exposition gegenüber Flammen und Rauch ist die größte Gefahr einer solchen Lage. Für den gefahrenabwehrenden Auftrag der Polizei folgt daraus die Konsequenz, dass „abwehren von Gefahren“ zunächst Unterstützen der Feuerwehr bedeutet. Tatsächlich kann die Polizei viele Aufgaben wahrnehmen, die der Feuerwehr bei ihren Maßnahmen helfen, aber durch diese selbst nicht geleistet werden können.

Dazu einige Beispiele:

Zunächst kann die Polizei-Leitstelle bereits bei der Alarmierung zu einem Brand in einem Gebäude durch eine Abfrage der Einwohnermeldeamt-Dateien in Erfahrung bringen, wie viele Personen in dem betroffenen Objekt registriert sind. Daraus lässt sich nicht unmittelbar schließen, wie groß die Anzahl derer ist, die sich tatsächlich im Gebäude aufhalten, doch bietet sich den Einsatzkräften eine grundsätzliche Orientierung zur Beurteilung der Gefahrenlage.
Eine Lagemeldung durch Polizeikräfte ist ebenfalls eine wertvolle Hilfe. Notrufe von Zeugen oder Betroffenen sind häufig von der Aufregung des Ereignisses geprägt und entsprechend ungenau. Durch die breite örtliche Präsenz des Streifendienstes im Wachbezirk trifft die Polizei oft vor der Feuerwehr an der Brandstelle ein und kann eine erste Einschätzung der Situation weiterleiten. Insbesondere ist bedeutsam, ob und wo Personen akut gefährdet sind, sofern es sich auf den ersten Blick einschätzen lässt. Der Einsatzleiter der Feuerwehr kann mit Hilfe dieser Informationen bereits auf der Anfahrt entsprechende Einsatzmittel (Drehleiter, tragbare Leitern, Sprungretter, etc.) disponieren, seine Mannschaft einteilen und gegebenenfalls Unterstützungskräfte nachfordern. Gerade vor dem Hintergrund der Menschenrettung aus akuter Lebensgefahr wird dadurch ein wichtiger Zeitvorteil geschaffen.


Unverzichtbar bei Brandeinsätzen ist das Räumen und Absperren der Gefahrenstelle. Nicht nur die Gefährdung Unbeteiligter durch Rauch oder herabstürzende Trümmer wird so verhindert, sondern auch der benötigte Einsatzraum für die Feuerwehr freigehalten. Dieser Faktor ist nicht zu unterschätzen: Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeuge der Feuerwehr basieren auf LKW-Fahrgestellen und benötigen eine große Aufstellfläche. Darüber hinaus entwickeln sich die Einsatzmaßnahmen der Feuerwehr direkt von ihren Fahrzeugen aus, in denen nicht nur die notwendigen Gerätschaften verlastet, sondern auch stationäre Aggregate, wie Pumpen, Stromerzeuger, Lichtmast, etc. fest eingebaut sind. Ganz besonders gilt dies für Drehleiter-Fahrzeuge, die nur optimal eingesetzt werden können, wenn bestimmte Parameter erfüllt sind, sei es der Standort des gesamten Fahrzeuges oder die seitliche Bewegungsfläche zum Ausfahren der Stützen. Jeder Zentimeter mehr Entfernung vom Objekt und jeder Zentimeter weniger Abstützbreite haben einen geringeren Einsatzradius zur Folge.

Für Polizeibeamte ist in diesem Zusammenhang wichtig zu wissen, dass sich die Anzahl der Einsatzmittel auch bei der Feuerwehr an der Dimension des Schadensereignisses orientiert. In der „Alarm- und Ausrückeordnung“ sind Einsatzstichworte festgelegt und mit entsprechenden Einsatzmitteln taktisch wie quantitativ verknüpft. Weil diese Festlegungen örtlich deutlich differieren und die Fahrzeugtechnik vom Lokalkolorit geprägt ist, können hier nur allgemeine Aussagen getroffen werden. Bei einem Kleinbrand, beispielsweise eines Müllcontainers, wird zumeist nur ein Einsatzfahrzeug ausrücken. Zu einer Brandmeldung aus einem Gebäude (Stichworte „verdächtige Rauchentwicklung“, „Zimmerbrand“, etc.) oder einem automatisch gemeldeten Brand wird in der Regel ein Löschzug alarmiert, der schon aus vier bis sechs Fahrzeugen besteht. Dabei ist es durchaus üblich, Einheiten aus unterschiedlichen Richtungen an die Einsatzstelle heranzuführen, weil sich Kräfte von mehreren Feuerwachen ergänzen und erst vor Ort zusammentreffen. Dieses Vorgehen wird als „Rendez-Vous-Prinzip“ bezeichnet und ist für die polizeilichen Absperrmaßnahmen auf den Zufahrtswegen von Bedeutung. Siehe dazu auch Kapitel 11.2 im Bildteil.

Über die primäre Absperrung des Einsatzortes zur Sicherung der Bewegungsfreiheit für die Feuerwehr hinaus, können Schaulustige die Einsatzkräfte bei ihren Maßnahmen erheblich behindern. Welche Möglichkeiten hier polizeirechtlich bestehen, wurde bereits in Kapitel 3.1 als beispielhafte Einführung in das Polizeigesetz erläutert, so dass an dieser Stelle nicht erneut darauf eingegangen wird.


Ergänzend aber sei angemerkt, dass von Juristen immer wieder die Frage der Strafbarkeit von Schaulustigen diskutiert wird. Dabei existiert seit vielen Jahren der Gedanke, ein die Retter behinderndes Verbleiben eines Schaulustigen am Unfallort als tatbestandliche Nichtvornahme einer erforderlichen Hilfeleistung nach § 323c „unterlassene Hilfeleistung“ zu subsumieren (die dort geforderte „erforderliche Handlung“ wäre in diesem Falle dann das sofortige Verlassen des Arbeitsbereiches von Feuerwehr und Polizei gewesen).


Für die Praxis hat diese Diskussion jedoch nur mittelbare Bedeutung, da es in der unmittelbaren Einsatzphase den Rettungsdiensten nicht primär darauf ankommt, die Störer rechtlich zu belangen, sondern diese vor allem vom Ort des Geschehens zu entfernen um ungehindert arbeiten zu können. Alle bis hierher vorgestellten Maßnahmen sind Grundsätze und können an nahezu jeder Einsatzstelle die Arbeit der Feuerwehr entscheidend erleichtern. Darüber hinaus sind je nach Situation vor Ort viele weitere Möglichkeiten denkbar, die nach Absprache mit dem Einsatzleiter der Feuerwehr durchgeführt werden. Außergewöhnliche Lagen verlangen nach besonderen Maßnahmen: So wurde beim Brand eines Werkstattschuppens 1998 in Dortmund eine durch den Brand stark erhitzte Acetylengasflasche durch gezielte Schüsse aus einer Polizeiwaffe geöffnet und somit druckentlastet - die Explosionsgefahr war augenblicklich gebannt. Ein Beispiel das zeigt, wie zielführend es sein kann, die Einsatzmöglichkeiten des anderen bei seinen eigenen taktischen Überlegungen zu berücksichtigen und für unkonventionelle Lösungen offen zu sein.


6.2 Strafverfolgung bei Bränden

Straftaten zu verfolgen ist die Grundlage für das Zusammenleben in einem Rechtsstaat. Neben dem Repressionsanspruch ist die präventive und damit Gefahren abwehrende Wirkung bedeutsam: Hohe Strafandrohungen und konsequente Strafverfolgung können potenzielle Täter abschrecken, weil die zu befürchtende Folge nicht mehr im Verhältnis zum angestrebten Ziel steht und die Wahrscheinlichkeit hoch ist, ermittelt zu werden. In der Kriminologie wird dieser Effekt als "sekundäre Prävention" bezeichnet. Darüber hinaus müssen ermittelte Straftäter die Konsequenzen ihres Handelns tragen, beispielsweise Geld- oder Freiheitsstrafen, unter Umständen in Verbindung mit Therapieangeboten. Diese Erfahrung führt bei vielen dazu, dass sie weniger in Versuchung geraten, erneut straffällig zu werden (sogenannte "tertiäre Prävention"). Wenn diese Aussagen schon für Straftaten aller Art gelten, ist der Gefahren abwehrende Aspekt bei Branddelikten noch deutlich ausgeprägter. Ein Grund dafür liegt in der Situation der Tat selbst: Brände stellen im Vergleich zu anderen Straftaten eine erhebliche Gefährdung von Menschenleben und Sachwerten dar (siehe Kapitel 6.1.1), sodass jeder verhinderte Brand unmittelbar einen Sicherheitsgewinn darstellt. Darüber hinaus begehen Brandstifter in den meisten Fällen nicht nur eine Tat, sondern treten mehrfach in Erscheinung. Der Begriff des „Serienbrandstifters“ ist gebräuchlich, obwohl es für diese Bezeichnung keine einheitliche Definition gibt . Nicht zuletzt handelt es sich bei dieser Tätergruppe auffallend häufig um Personen, die bereits anderwärtig erheblich straffällig geworden sind, wie eine Untersuchung von Brandstiftern in Berlin zeigte:

Dort hatten 89% der Brandstifter bereits andere Straftaten begangen,
davon 70% Eigentums- und 58% Gewaltdelikte.
Ebenso waren 70% der Täter bereits in zuvor in zwei verschiedenen Deliktbereichen aufgefallen und 47% bereits vorbestraft.


Diese Erkenntnis bietet hilfreiche Ansätze für Ermittlungen. Sie zeigt zugleich, dass die Bestrafung eines Brandstifters nicht nur die Gefahr weiterer Brände, sondern auch die weiterer Straftaten im Allgemeinen sinken lässt.


Brandstiftung - Verbrechen
gem. § 306 StGB in Versmold - Westf.
Foto: Rainer Schwarz.


6.2.1 Rechtliche Bedeutung der Branddelikte

Welche Bedeutung der Gesetzgeber den Branddelikten zumisst, zeigt die Einordnung dieser Delikte als Verbrechenstatbestand, sofern es sich dabei um vorsätzliche Taten handelt. Damit ist, neben der Strafbarkeit des Versuchs, eine hohe Strafandrohung verbunden: Schon der Grundtatbestand "Brandstiftung" wird mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bestraft. Lediglich bei minder schweren Fällen liegt die Strafandrohung bei sechs Monaten bis zu fünf Jahren, doch diese Option entfällt bereits bei "schwerer Brandstiftung“, wenn beispielsweise Feuer in Wohngebäuden gelegt oder durch den Brand die Gesundheit eines Menschen gefährdet wurde". Werden durch eine Brandstiftung mehrere Menschen geschädigt. liegt die Freiheitsstrafe bei mindestens zwei Jahren.

Dient die Brandstiftung dazu eine andere Straftat zu ermöglichen oder wird ein Mensch in die Gefahr des Todes gebracht, ist auf eine Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren zu erkennen. Einzig die unbeabsichtigte „Fahrlässige Brandstiftung“ ist mit einer Strafandrohung von bis zu 5 Jahren als Vergehen eingestuft .


Für das Jahr 2009 werden in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) insgesamt 22.443 Brandstiftungen nach §§ 306-306d, 306f StGB verzeichnet, davon entfallen 13.523. Straftaten auf Vorsatzdelikte nach §§ 306-306c, 306 Abs. 1 und 2.

In beiden Fällen ist die Tendenz fallend (jeweils ca. 3% Rückgang zum Vorjahr) und die Aufklärungsquote leicht ansteigend (0,5% bzw. 1,1%), allerdings beträgt die Aufklärungsquote hier insgesamt 48,8% und bei Vorsatzdelikten 34,5%. Dabei muss berücksichtigt werden, dass in der PKS nur die am Ende der Ermittlungen tatsächlich als Straftat identifizierten Fälle verzeichnet sind. Die absolute Zahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren dürfte deutlich höher liegen.


6.2.2 Grundlagen der Brandursachenermittlung

Die Bedeutung polizeilicher Arbeit im Phänomenbereich Branddelikte ist aus den Vorüberlegungen erkennbar geworden. Ziel ist es zunächst, Informationen über die Ursache eines Brandes zu gewinnen und anschließend zu ermitteln, ob dem Brandgeschehen eine Straftat zu Grunde liegt.
Analog zum Vorgehen bei anderen Straftaten, bildet die Aufnahme des subjektiven und objektiven Befundes die Grundlage der polizeilichen Ermittlungen. Während bereits im Sicherungsangriff mögliche Zeugen erfasst und Fotoaufnahmen der Einsatzstelle gefertigt werden, ist die Suche nach Spuren in der kalten Brandstelle nach Abschluss der Löscharbeiten eine langwierige, aber sehr wichtige Tätigkeit.
Position und Zustand von Gegenständen im Brandraum, die Spurenzeichnung von Brandrauch und die Brandzehrung an Gebäudeteilen geben dem Brandermittler Hinweise auf die Entstehung des Brandes. Ebenso sind die Farbe der Flammen und des Rauches sowie der Brandverlauf selbst wichtige Anhalts- und Ansatzpunkte für Ermittlungen.
Ein Brandermittlungsverfahren en Detail zu erörtern, würde an dieser Stelle zu weit führen. So geht nach diesem ausführlichen, für das Verständnis der Thematik aber notwendigen Exkurs die Betrachtung auf die zentrale Frage der Ausarbeitung zurück: Wie steht es um die Zusammenarbeit zwischen Feuerwehr und Polizei bei der Brandursachenermittlung? Ist die beiderseitige Aufgabenzuweisung für die Gefahrenabwehr unstreitig, mag sich dies hier zunächst ebenso eindeutig darstellen, denn Strafverfolgung ist ausschließlich die Sache der Ermittlungsbehörden. Dennoch ist es aus den zuvor aufgezeigten Fakten zu Branddelikten auch im ureigenen Sinne der Feuerwehr, das Straftaten dieses Deliktbereiches aufgeklärt werden und die Anzahl der Brände sinkt. Die Basis für eine gute Zusammenarbeit wird auf beiden Seiten gelegt.
Ein Brandermittler muss kein Feuerwehrmann sein und ein Feuerwehrmann kein Kriminalbeamter. Wichtig aber ist, die Maßnahmen des jeweils anderen zumindest einordnen und verstehen zu können.

So heißt es in einem Lehrbuch zum Thema Branddelikte: „Eine gute Zusammenarbeit […] mit der Feuerwehr […] ist ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Brandursachenermittlung“.

Wer als Ermittler um die Bedeutung von Glutnestern für das erneute Aufflammen eines Brandes weiß, wird nachvollziehen können, warum die Feuerwehr die Spurenlage am Brandort unter Umständen erheblich verändert hat, obwohl ihm dies die Arbeit entscheidend erschwert. Wer einschätzen kann, dass der Angriffstrupp im völlig verrauchten Raum die Hand vor Augen nicht sieht und sich gleichzeitig in einer gefährlichen Situation in völlig fremden Terrain vortastet, wird verstehen, warum bei einer anschließenden Zeugenbefragung der Standort einzelner Gegenstände in diesem Raum nicht mehr genau angegeben werden kann. Vergleichbar dazu wird der in die Grundlagen und Bedeutung der Brandursachenermittlung eingewiesene Feuerwehrmann sensibler mit Spuren umgehen, sofern die Gefahrenabwehr dies zulässt.

Kein anderer Tatort ist dermaßen von Spurenveränderungen geprägt wie eine Brandstelle. Nicht jeder Brandraum muss nach dem Grundsatz „Was nicht da ist, kann auch nicht brennen“ ausgeräumt werden. Ferner wird sich die Feuerwehr vielleicht an Details erinnern, die für sie nicht von Bedeutung sind, für die Polizei aber umso mehr, sei es der Schließzustand von Türen oder auffällige Personen an der Einsatzstelle. Entscheidend ist, notwendige Veränderungen der Spurenlage am Brandort zu dokumentieren, damit für die Ermittlungen der Zustand vor dem Brand und vor dem Einsatz der Feuerwehr rekonstruiert werden kann. Polizei und Feuerwehr können sich also an Brandstellen gegenseitig die Arbeit deutlich erleichtern. Sollte dies auf einer oder beiden Seiten im Einzelfall nicht geschehen, dürfte es an der Unkenntnis über die Maßnahmen des jeweils anderen scheitern und nicht an Ignoranz oder gar böser Absicht. Ein Problem, dass vergleichsweise einfach zu lösen ist (siehe dazu Kapitel 9) .


7. Verkehrsunfälle

Nach der Betrachtung von Bränden sei der Blick nun auf einen weiteren Bereich gerichtet, in dem Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst täglich zusammenarbeiten: Unfälle im Straßenverkehr. Vorab auch hier einige statistische Fakten, um die Bedeutung des Themas zu verdeutlichen:

Im Jahr 2009 wurden in Deutschland 2.313.453 Verkehrsunfälle (VU) polizeilich aufgenommen.
Dabei wurden 4.152 Menschen getötet und 397.671 verletzt.

Diese Zahl ist seit den 1950er Jahren erfreulicher Weise trotz des stetig zunehmenden Verkehrsaufkommens rückläufig, was in erster Linie auf die fortschreitende Sicherheitstechnik im Kraftfahrzeugwesen zurückzuführen ist. Gleichwohl ist der Volkswirtschaft 2009 durch VU ein Gesamtschaden in Höhe von rund 30,5 Milliarden € entstanden.


Allein die Zahlen zeichnen ein erschreckendes Bild. Hinter jeder einzelnen stehen Opfer, Familie, Partner und Freunde. Dies verdeutlicht, welcher Preis den Menschen in einer automobilen Gesellschaft für ihre Mobilität abverlangt wird. Die Zahlen verdeutlichen, dass bei jedem Verkehrsunfall professionelles Handeln gefordert ist, um die Folgen für die Betroffenen zu lindern. Für die Art von Unfällen, die hier im Focus der Zusammenarbeit zwischen Feuerwehr und Polizei betrachtet werden sollen, gilt dies umso mehr, weil es sich dabei um besonders schwere VU handelt, denn bei einem Parkrempler oder einem harmlosen Auffahrunfall tritt nur die Polizei allein in Erscheinung. Zum gemeinsamen Einsatz mit der Feuerwehr und dem Rettungsdienst kommt es erst, wenn Personen verletzt, Insassen eingeklemmt oder Fahrzeuge in Brand geraten sind (das alleinige Aufnehmen ausgetretener Betriebsstoffe von Unfallfahrzeugen durch die Feuerwehr sei an dieser Stelle nicht betrachtet). Bei Verkehrsunfällen tritt die Polizei gefahrenabwehrend wie strafverfolgend auf, daher nachfolgend die entsprechende Unterteilung der Kapitel. Zusätzlich ist bei Verkehrsunfällen der zivilrechtliche Part von besonderer Bedeutung. Dieser wird gemeinsam mit der Strafverfolgung betrachtet, weil insbesondere bei der Frage der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Feuerwehr gemeinsame Überlegungen die entscheidende Rolle spielen.


7.1 Gefahrenabwehr bei Verkehrsunfällen

Für die Polizei sind Gefahren am Unfallort kalkulierbarer als beim zuvor geschilderten Brand, da es sich beim Einsatz „Verkehrsunfall“ um eine Lage handelt, die täglich in großer Zahl bewältigt wird, wenn auch in unterschiedlicher Schwere. Der Polizeibeamte fühlt sich am Unfallort daher eher „zu Hause“ als an einer Brandstelle.

Wie so viele polizeiliche Einsatzlagen birgt auch eine Unfallstelle mehrere, parallel auftretende Gefahren, sodass es zunächst darauf ankommt diese nach einsatztaktischer Bedeutung zu gewichten und die größte Gefahr zuerst zu beseitigen . Der LF 371 spricht unter dem Aspekt der Eigensicherung unter anderem die aus dem fließenden Verkehr hervorgehenden Gefahren an. Für die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr und dem Rettungsdienst ist darüber hinaus die Erstversorgung von Verletzten von großer Bedeutung. Diese beiden Punkte verlangen daher, differenziert betrachtet zu werden. Ein weiteres wichtiges und großes Thema sind Unfälle mit gefährlichen Stoffen und Gütern oder Gefahrstoffaustritte. Dieser Bereich wird im LF 371 gesondert angesprochen, hier jedoch aus Platzgründen ausgeklammert. Er schlägt sich für die Polizei primär in der erweiterten Absperrzone und Evakuierungsmaßnahmen nieder, während die Arbeit am unmittelbaren Unfallort in den Händen der Feuerwehr liegt, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit den Experten des Transportunfall-Informationssystems (TUIS) der Chemie-Werkfeuerwehren. Selbstverständlich gelten dabei besondere Anforderungen, beispielsweise das Beachten der Entfernung zum Objekt und der Windrichtung, um nicht selbst in Gefahr zu geraten.


7.1.1 Absicherung von Unfallstellen

Eine Unfallstelle im fließenden Verkehr stellt so lange eine erhebliche Gefahr für alle Beteiligten dar, bis gewährleistet ist, dass die übrigen Verkehrsteilnehmer rechtzeitig und eindeutig auf diese Gefahrenstelle hingewiesen werden. Doch selbst dann ist absolute Sicherheit nicht zu gewährleisten, wie traurige Beispiele von Folgeunfällen mit verletzten oder gar getöteten Beteiligten und Einsatzkräften immer wieder beweisen. Gewissenhaftes Absichern einer Unfallstelle ist deshalb nicht nur eine Maßnahme der Gefahrenabwehr gegenüber den übrigen Verkehrsteilnehmern und den Unfallbeteiligten, sondern gleichermaßen praktische Eigensicherung.


Die Pflicht zur Sicherung einer Unfallstelle obliegt den Unfallbeteiligten selbst. Bei schweren Verkehrsunfällen sind diese häufig nicht dazu in der Lage. Zunächst können nur andere Verkehrsteilnehmer diese Aufgabe übernehmen. Besonders in einer solchen Situation sind Polizei und Feuerwehr in der Pflicht, die Unfallstelle abzusichern. Für die Polizei folgt diese Aufgabe subsidiär aus der StVO , weil die originär zuständige Straßenverkehrsbehörde die Maßnahmen regelmäßig nicht rechtzeitig treffen kann und somit „Gefahr im Verzug“ besteht.


Auf Seiten der Feuerwehr wird die Absicherung von Einsatzstellen in der FwDV 1 und den Unfallverhütungsvorschriften thematisiert, dort primär unter dem Aspekt der Eigensicherung. Während die Polizei auf einen breiteren Erfahrungsschatz bei verkehrslenkenden Maßnahmen zurückgreifen kann, stellt sich für die Feuerwehren die Bauweise ihrer Einsatzfahrzeuge als Vorteil dar, weil diese schon allein durch ihre Größe und Lackierung deutlich auffälliger sind als FuStKw und von anderen Verkehrsteilnehmern früher wahrgenommen werden. Auch hier ist also das Ziel, ein Maximum an Sicherheit für Betroffene und Einsatzkräfte zu schaffen, nur gemeinsam zu erreichen.
Bei vielen Feuerwehren ist festgelegt, dass Rettungswagen (RTW), die zu Einsätzen auf Autobahnen oder Schnellstraßen ausrücken, grundsätzlich von einem größeren Löschfahrzeug begleitet werden, dessen Besatzung ausschließlich für die Absicherung der Einsatzstelle verantwortlich ist. Es ist außerdem vielerorts üblich, ein schweres Einsatzfahrzeug etwas abgesetzt vom eigentlichen Einsatzgeschehen am Ende der Unfallstelle zu positionieren, um die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer zu wecken, aber auch, damit ein Folgeunfall durch unaufmerksame Fahrzeugführer die Einsatzkräfte nicht unmittelbar gefährdet.
Eine pragmatische und aus Eigensicherungsaspekten sinnvolle Lösung, der aber ein Nachgeschmack anhaftet, denn: „Es ist kein Einsatzerfolg, wenn durch eine Absicherung ein Folgeunfall verursacht wird!“

Wie kann eine wirkungsvolle Absicherung der Unfallstelle aussehen? „Die beste Sicherung einer Unfallstelle ist deren schnelle Räumung!“ heißt es in der Ausbildungsliteratur der Polizei. Dies mag für Bagatellunfälle der richtige Weg sein, denn der durch einen Unfall hervorgerufene Stau ist nicht selten Ursache weiterer, schwerer Unfallereignisse (LKW fährt ins Stauende, etc.). Stehen aber zunächst Rettungs- und später auch Beweissicherungsmaßnahmen an, ist ein umfangreicherer Zeitaufwand nicht vermeidbar. Feuerwehr und Polizei führen Material zur Sicherung mit und sollten dieses daher umfassend einsetzen. Ein „Zuviel“ kann es dabei nicht geben: „Mit Sicherungsmaterialien nicht kleckern – KLOTZEN!“ Die zuvor erläuterten Möglichkeiten ergänzen sich perfekt: Die Großfahrzeuge der Feuerwehr sichern die unmittelbare Unfallstelle ab, weil sie besser wahrgenommen werden und daher am direkten Einsatzort ideal positioniert sind. Die Polizei kann mit ihren kleineren und wendigen Einsatzmitteln den Verkehr weit vor der Unfallstelle warnen, bereits dort auf eine bevorstehende Gefahrenstelle hinweisen und ihren Standort bei Bedarf auch einem Stauende immer wieder anpassen, insbesondere auf Autobahnen.
Zwar kann der Aufbau einer solchen „Vorwarnung“ auch durch die Feuerwehr erfolgen, allerdings sollte dies nur im „ersten Angriff“ geschehen, wenn die Polizei noch nicht eingetroffen ist , denn bei einem Verkehrsunfall mit erforderlicher technischer Rettung ist der Platz der Feuerwehr am Unfallort, nicht weit davor auf der Standspur.

Siehe dazu: Informationen für Opfer nach Verkehrsunfällen


Im vorgegebenen Rahmen auf die zahllosen Varianten zur Verkehrssicherung explizit einzugehen, ist weder möglich noch notwendig. Intention ist es vielmehr zu verdeutlichen, dass eine effektive Absprache zwischen allen beteiligten Einsatzkräften den Einsatzerfolg sehr viel wahrscheinlicher werden lässt. Die Relevanz der Sicherung von Unfallstellen für beide Seiten zeigen zahlreiche Praxisbeispiele, beispielsweise Dienstanweisungen zur Absperrung und Absicherung, die Ausstattung von Fahrzeugen mit Verkehrswarnanlagen oder deren Gestaltung in auffälligen Farbtönen. Siehe dazu auch Kapitel 11.3 im Bildteil.


7.1.2 Medizinische Versorgung verletzter Personen

Verletzte medizinisch zu versorgen steht bei Verkehrsunfällen im Fokus. Notwendige und zumutbare Maßnahmen der Ersten Hilfe zu unterlassen ist daher unter Strafe gestellt, nicht nur im Straßenverkehr.
Zeugen und Beteiligte befinden sich in einer Ausnahmesituation und handeln nicht immer vernünftig oder sinnvoll. Für Polizeibeamte hingegen sind schwere VU Teil ihres Berufes. Sie können eher einen klaren Kopf bewahren und die richtigen Maßnahmen treffen, insbesondere dann, wenn es nicht nur sprichwörtlich, sondern tatsächlich „um Leben und Tod“ geht. Von jedem Kraftfahrzeugführer werden völlig zu recht Erste-Hilfe-Kenntnisse gesetzlich verlangt. Wie hoch mag dann erst der - ebenso berechtigte - Anspruch der Bevölkerung an die Polizei sein? Niemand erwartet, dass Polizisten umfangreiche medizinische Kenntnisse mitbringen; Versorgung und Therapie Verletzter sind Sache des Rettungsdienstes. Dass aber gerade sie, deren Aufgabe es ist Verkehrsunfälle aufzunehmen, Grundlagen der Ersten Hilfe in einem über die Fähigkeiten normaler Verkehrsteilnehmer hinausgehenden Maße beherrschen, ist mehr als wünschenswert. Häufig trifft die Polizei bei Unfällen vor dem Rettungsdienst ein und kann bei der Versorgung Verletzter die Basis für die anschließende notfallmedizinische Therapie legen. Bei lebensbedrohlichen Verletzungen, beispielsweise starken Blutungen oder Herz-Kreislauf-Stillstand, beeinflusst die Qualität der Erstmaßnahmen entscheidend die Überlebenswahrscheinlichkeit der Verletzten. Wird den Verletzten nicht sofort Hilfe zu Teil, kann unter Umständen der beste Rettungsdienst nicht mehr helfen. Doch auch Leichtverletzten ist allein dadurch geholfen, ihnen betreuend zur Seite zu stehen. Zu wissen, dass sich neben der medizinischen Versorgung jemand um Angehörige, persönliche Gegenstände und Bergen des Fahrzeugs kümmert, trägt zur Beruhigung bei.


Opferschutz ist eine der polizeilichen Aufgaben bei Verkehrsunfällen .
Gibt es einen bedeutsameren Schutz des Opfers, als dessen Leben zu retten?


Professionelle Polizeiarbeit wird in diesem Moment nicht nur dem gesetzlichen Auftrag gerecht, sondern leistet unmittelbar einen wichtigen Dienst am Menschen. Die traditionelle Wahrnehmung der Polizei als „Freund und Helfer“ wird hier ganz konkret. „Vertrauen hat ein Gesicht!“ – so formuliert es ein Fachartikel zum Thema Opferschutz.


Es wird deutlich, dass nur gemeinsames Handeln von Polizei und Rettungsdienst die bestmögliche Versorgung des Unfallopfers gewährleistet.
Interessant ist ein Praxisbeispiel aus Ratingen (NRW): Dort gestalten Rettungsdienst und Feuerwehr gemeinsam mit der Polizei Rettungsübungen. Polizeibeamte können die Rolle des Unfallopfers einnehmen und erfahren am eigenen Leib, wie eine Person sich fühlt, die in einem Fahrzeug eingeklemmt auf Hilfe wartet oder dort medizinisch erstversorgt wird.


Siehe: Informationen für Opfer nach Verkehrsunfällen.
Foto: Fr.Höner - Westfalenblatt

7.2 Strafverfolgung und Zivilrecht bei Verkehrsunfällen

Welche Bedeutung Strafverfolgung und Zivilrecht bei einem VU einnehmen, wird erst auf den zweiten Blick deutlich. Sobald Personen verletzt wurden, ist die Repression nicht mehr mit einem Verwarngeld vor Ort abzuschließen, denn neben dem Verkehrsverstoß steht dann durch die „Fahrlässige Körperverletzung“ nach § 229 StGB auch der Vorwurf einer Straftat im Raum. Der Unfallverursacher wird zum Beschuldigten, unabhängig davon, ob der Verletzte Strafantrag stellt: Körperverletzungen durch Verkehrsunfälle sind Offizialdelikte. Bei getöteten Personen gilt dies ebenso, wobei der Straftatbestand „fahrlässige Tötung“ (§ 222 StGB) lautet, das Strafmaß liegt bei bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Grobe Verkehrsverstöße oder Fahruntüchtigkeit eines Fahrzeugführers können ferner eine Strafbarkeit wegen § 315c StGB „Gefährdung des Straßenverkehrs“ oder § 316 StGB „Trunkenheit im Straßenverkehr“ begründen.
Nach dem Legalitätsprinzip ist die Polizei zur Erforschung von Straftaten verpflichtet und muss jedem Verdacht einer Straftat nachgehen (was bei der Argumentation, dass Unfallaufnahme eine Angelegenheit der Versicherungen sei, die nicht von der Polizei erledigt werden müsse, gerne übersehen wird). Für den Verursacher ist zwar unangenehm, neben den Unfallfolgen zusätzlich eine Bestrafung erfahren zu müssen, doch wäre es inkonsequent, Fahrfehler ohne Unfallfolgen mit Verwarn- oder Bußgeldern zu belegen, wenn derjenige, der durch sein Fehlverhalten sogar einen Schaden verursacht, keine verhaltensrechtlichen Folgen zu tragen hätte. Der zivilrechtliche Part ist von großer Bedeutung, weil bei einem VU immense Schäden entstehen können.


Die polizeiliche Zuständigkeit ist aus § 1(2) PolG NRW abzuleiten: „Schutz privater Rechte“ bedeutet in diesem Fall, dass den Geschädigten Ersatzansprüche erwachsen, die den Schaden wiedergutmachen sollen. Da die Polizei weiß worauf es bei der Schadenregulierung ankommt, unterstützt sie dabei und führt eine entsprechende Unfallaufnahme durch. Für die Versicherer ist es entscheidend, wer den Unfall verursacht hat oder wie sich die Verteilung der Schuldfrage darstellt. Nicht bei jedem Unfall kann diese Frage schon vor Ort abschließend geklärt werden. Eine endgültige Antwort findet sich bisweilen erst im Rahmen von Gerichtsprozessen oder Vergleichen durch die Versicherer.


7.2.1 Grundlagen der Tatortaufnahme bei Verkehrsunfällen

„Ein Verkehrsunfallort ist ein Tatort“ heißt es im Unfallerlass der Polizei NRW.

In der Praxis bedeutet dies, jede Unfallstelle in Abhängigkeit von Ausmaß und Folgen durch die Polizei zu dokumentieren – bei Bedarf ebenso umfangreich, wie es bei anderen, schweren Straftaten der Fall wäre. Dazu muss die Polizei allerdings Kenntnis von einem VU bekommen. Rettungsdienste können wertvolle Dienste leisten, indem sie bei Unfällen im öffentlichen Verkehrsraum, welche nicht als solche gemeldet wurden, die Polizei informieren, beispielsweise bei Alleinunfällen von Radfahrern. Unfallspuren haben für die Bewertung des Geschehens im Rahmen des objektiven Befundes einen hohen Beweiswert, während der subjektive Befund von Mangeln geprägt ist, sei es beabsichtigt (Schutzbehauptungen) oder nicht (individuelle Wahrnehmung). Die Frage nach dem Unfallverursacher kann unter Umständen durch Auswertung der Unfallspuren beantwortet werden, je nach Komplexität der Lage mit Hilfe eines technischen Sachverständigen: „Die Gutachten der Sachverständigen sind bedeutsame Grundlage für Gerichtsverfahren […]und haben deshalb unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtssicherheit“ […] Die Gutachten […] basieren auf objektiven Merkmalen […]. Die objektiven Merkmale werden meistens direkt am Unfallort erhoben. In geringem Umfang ist auch eine spätere Feststellung von objektiven Merkmalen möglich“.
Mögliche Spurenbilder bei einem Verkehrsunfall decken ein breites Spektrum ab: Reifen zeichnen Spuren auf der Fahrbahn, kollidierende Fahrzeuge beschädigen sich gegenseitig, Splitter werden fortgeschleudert, Karosserieteile schlagen auf die Fahrbahndecke, Personen hinterlassen Spuren in und an Fahrzeugen und vieles mehr. Das Erkennen und Auswerten solcher Spuren verlangt nach ausgeprägten Kenntnissen der Materie. Einige Polizeibehörden setzen daher spezielle Kräfte ein, deren Aufgabe ausschließlich die Aufnahme schwerer VU ist.


Ein derartiges Pilotprojekt in NRW besteht gegenwärtig durch das Unfallaufnahmeteam des Polizeipräsidiums Köln. Trotz ihrer unterschiedlichen Ausprägung ist allen Spurenbildern eines gemein: sie basieren auf physikalischen Vorgängen, die es einem Sachverständigen ermöglichen, durch naturwissenschaftliche Methoden und Berechnungen Aussagen zum Unfallhergang zu treffen. Grobes Abschätzen der Geschwindigkeit anhand einer Blockierspur ist einem Polizeibeamten selbst möglich. Ein Sachverständiger kann jedoch durch die Art der Beschädigung eines Fahrzeuges, anhand der Verletzung einer Person oder basierend auf der Endlage von Fahrzeugen oder Karosserieteilen nach der Kollision ermitteln, welche Kräfte wie gewirkt haben und daraus berechnen, welcher Geschwindigkeitsbereich sowohl für die Crash-, als auch die Pre-Crash-Phase in Frage kommt. Ebenso kann eine Aussage darüber getroffen werden, unter welchen Umständen ein Unfallbeteiligter den anderen frühestens wahrnehmen konnte. Ist die Frage des Fahrzeugführers ungeklärt, ermöglicht die Auswertung von serologischen oder Faserspuren im Fahrzeug, sowie der Abgleich von Verletzungen mit der Unfalldynamik eine eindeutige Beweisführung.

Im Vordergrund dieser Berechnungen steht die Vermeidbarkeitsbetrachtung : Liegt zum Beispiel überhöhte Geschwindigkeit einem Unfall zu Grunde, bei dem ein Mensch verletzt oder gar getötet wurde, ist es ein signifikanter Unterschied, ob es bei regelkonformem Verhalten des Verursachers ebenfalls zu diesem Unfall gekommen wäre, oder eben gerade nicht, weil der Fahrzeugführer bei normgerechter Geschwindigkeit den Unfall räumlich oder zeitlich hätte vermeiden können und beispielsweise durch eine Gefahrenbremsung vor der Kollisionsstelle zum Stehen gekommen wäre.


7.2.2 Technische Rettungsmaßnahmen

Neben der Länge von Brems- oder Blockierspuren ist für den Sachverständigen die Frage der genauen Kollisionsstelle und der Endlage von Trümmerteilen von besonderer Wichtigkeit. An dieser Stelle entsteht die Querverbindung zwischen polizeilicher Tätigkeit und der Arbeit von Rettungsdienst und Feuerwehr: Sind Personen in Fahrzeugen eingeklemmt oder kommt es zu einem Brand, tritt die Feuerwehr in Aktion. Ziel ist es, eingeklemmte Verletzte schnell und schonend aus den Trümmern zu befreien. Notfallmediziner sprechen bei der Überlebenschance für Schwerstverletzte von der „Goldenen Stunde der Traumatologie“, wobei jeweils 20min für die beiden Komplexe Alarmierung - Anfahrt - Einsatzaufbau und Rettungsdienstliche Versorgung - Transport zur Klinik - Übergabe im Schockraum vorgesehen sind. Die restlichen 20 Minuten verbleiben für die Befreiung des Patienten aus dem Fahrzeug. Feuerwehren halten umfangreiche Gerätschaften bereit, mit denen Personen auf verschiedenste Weise aus Fahrzeugen befreit werden können. Dazu gehören hydraulische Scheren und Spreizer, Rettungszylinder, Glasschneidegeräte, etc. Mit diesen Werkzeugen können Türen aufgedrückt, Scheiben herausgetrennt und ganze Fahrzeugdächer abgetrennt werden.
Eine große Anzahl von Einsatzkräften ist nötig, um diese Geräte einzusetzen und den Patienten aus dem Fahrzeug zu befreien. Dies gilt umso mehr, wenn Wirbelverletzungen nicht auszuschließen sind und die größtmögliche Immobilisation des Verunfallten im Vordergrund steht, um weitere Schäden durch die Rettung zu verhindern.


Der Einsatz von Personal und Gerät an der Unfallstelle geht mit entsprechendem Platzbedarf einher. Für professionelles Arbeiten ist eine klar strukturierte Einsatzstelle unabdingbar : Werkzeuge und medizinische Utensilien müssen bereitliegen, Raum zum Arbeiten vorhanden sein, Einsatzfahrzeuge abgestellt werden und ein Sicherungsposten zur Gewährleistung des Brandschutzes in Bereitschaft stehen. Auf der Fahrbahn liegende Trümmerteile sind dann nicht nur durch scharfe Ecken und Kanten eine Gefahr für die Einsatzkräfte, sondern liegen schlicht und ergreifend im Weg.

Welche Folgen diese Maßnahmen für die zuvor erläuterte Spurenlage haben, vermag sich ein jeder selbst vorzustellen. Das Dilemma ist mit der Lage an Brandstellen vergleichbar: Eine Straftat liegt vor, deren Aufklärung sowohl im Interesse des Staates, als auch der Opfer ist. Gleichzeitig geben Feuerwehr und Rettungskräfte ihr Bestes, retten, was zu retten ist und beeinflussen dabei das Spurenbild vor Ort ganz erheblich -mit der Gefahr, dass die Aufklärung darunter leidet, wenn nicht sogar unmöglich wird. Ein unlösbarer Konflikt? Gefahrenabwehr und Rettung genießen zweifellos oberste Priorität: Wer in seinem Auto verletzt eingeklemmt ist, dürfte sich über seine Befreiung und Versorgung zunächst deutlich mehr freuen, als über die Information, dass der Verursacher zur Rechenschaft gezogen und die Versicherung den Schaden begleichen wird. Dennoch stehen eine Straftat und enorme Kosten im Raum, die auf Geschädigte und Versicherer zukommen können, im schlimmsten Fall bis zu lebenslanger Erwerbsminderung oder gar Unfähigkeit (von den materiell nicht messbaren sozialen und familiären Folgen ganz zu schweigen). Konkrete Absprachen und Kenntnisse bei Feuerwehren und Polizei über die gegenseitige Arbeitsweise können jetzt sehr hilfreich sein. Ein Unfallermittler mit Grundkenntnissen über die Arbeit der Feuerwehr kann mehr Akzeptanz für deren notwendige Maßnahmen aufbringen, die für ihn wichtige Spuren stark verändern. Feuerwehr-Einsatzkräfte die wissen, dass Unfallermittlung deutlich mehr bedeutet, als das Bestrafen des Verursachers und diese ebenso dazu führen sollen, Ansprüche des Opfers zu sichern, werden ein Gespür dafür bekommen, nicht nur so wenig Spuren wie möglich zu zerstören, sondern vor allem die notwendigen Veränderungen zu dokumentieren. Der Ansatz zur Optimierung lautet also auch hier: Berücksichtigen des Themas in die Aus- und Fortbildung und ein offenes Auge mit Interesse für die Aufgaben des anderen.


8. Einsatz nicht bodengebundener Rettungsmittel

Nachdem die Themenkomplexe „Brände“ und „Verkehrsunfälle“ betrachtet wurden, soll sich der Blick nun auf eine Situation richten, die ebenfalls gemeinsames Agieren von Rettungsdiensten und Polizei sinnvoll erscheinen lässt:

Der Einsatz von Rettungshubschraubern (RTH).

Deutschland verfügt über eines der besten Luftrettungssysteme der Welt. Aufgebaut in den 1970er Jahren, ist heute ein dichtes Netz von RTH an über 50 Standorten in der Bundesrepublik sowohl für die primäre Notfallrettung, als auch für Sekundärtransporte (Verlegungsflüge in Fachkliniken, etc.) einsatzbereit. Dieses System spiegelt nicht nur den hohen Standard der Notfallrettung wider, sondern ist auch Musterbeispiel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Polizei und Rettungsdienst. Neben den Maschinen anderer Betreiber, unter anderem des Allgemeinen Deutschen Automobilclubs (ADAC) und der Deutsche Rettungsflugwacht (DRF), werden zwölf Helikopter vom Bundesinnenministerium eingesetzt. Die Bundespolizei übernimmt Wartung, Betrieb und fliegerisches Personal, die örtlichen Rettungsdienstbetreiber, häufig Berufsfeuerwehren, stellen den Luftrettungsassistenten und das Standort-Krankenhaus den Notarzt.


Siehe: Feuerwehr & Polizei in "einem" Hubschrauber.
Foto: Rainer Schwarz.

8.1 Einsatzmöglichkeiten der Luftrettung

Prinzipiell ist das Einsatzspektrum eines RTH mit dem eines jeden anderen arztbesetzten Rettungsmittels vergleichbar. In der Öffentlichkeit ist dies jedoch wenig bekannt. Vielmehr wird oft angenommen, dass ein Hubschrauber nur bei besonders schweren Unfällen eingesetzt wird. Tatsächlich jedoch gilt für den RTH der gleiche Indikationskatalog wie für den Notarzt am Boden, der immer dann ausrückt, wenn Lebensgefahr nicht auszuschließen ist, sei es nun durch eine chirurgische oder internistische Ursache. Der Einsatz eines RTH bei einem Schlaganfall oder einem Herzinfarkt ist nicht außergewöhnlich, denn das Ziel der Notfallrettung ist grundsätzlich, zunächst den Arzt so schnell wie möglich zum Patienten zu bringen, nicht andersrum.
Eine Ausnahme bilden Patienten mit Brand- oder Wirbelsäulenverletzungen: Trotz Verfügbarkeit eines Notarztwagens am Boden wird in solchen Fällen in der Regel auf den RTH zurückgegriffen, weil die Vorteile des Luftfahrzeuges deutlich zum Tragen kommen: Im ersten Fall ist ein schneller Transport über eine weite Strecke in ein geeignetes Zielkrankenhaus notwendig, im zweiten Fall ein besonders schonender Transport ohne die Erschütterungen beim Fahren auf der Straße.
Darüber hinaus sind Einsatzstellen im Gebirge, auf Wasserflächen und Schiffen oder auf Autobahnen nach Staubildung prädestiniert für einen Hubschraubereinsatz.


8.2 Polizeiliche Unterstützung beim Hubschraubereinsatz

Berührungspunkte ergeben sich im täglichen Einsatz hauptsächlich für den Streifendienst: Bei der Landung eines Hubschraubers sichert die Polizei den Landeplatz und kann gegebenenfalls beim Transport des medizinischen Personals vom Hubschrauber zum endgültigen Einsatzort unterstützen. Schwerpunkt dieser Betrachtung soll auf der Landung des RTH liegen. Grundsätzlich wird der Landeplatz durch den Piloten ausgewählt. Unterstützung von Bodenseite ist deshalb hilfreich, weil nicht alle Hindernisse aus der Luft sofort zu erkennen sind. Liegt die Landefläche im öffentlichen Verkehrsraum, ist eine angemessene Absicherung sowohl zur Sicherheit von Hubschrauber und Besatzung, als auch der übrigen Verkehrsteilnehmer zur Gefahrenabwehr unverzichtbar (siehe dazu auch Kapitel 7.1.1).

Für die Landung (und auch den Start), weist der LF 371 unter anderem darauf hin, dass sich Personen dem Hubschrauber nur aus dem Sichtbereich der Besatzung heraus in gebückter Haltung und mit Fahrzeugen nur bei stillstehenden Rotorblättern nähern sollten. Ferner besteht die Gefahr des Aufwirbelns von Erde und losen Gegenständen durch die Rotoren, was eine erhebliche Verletzungsgefahr darstellt. Die Bodenbeschaffenheit spielt deshalb bei der Auswahl des Landeplatzes neben der Hindernisfreiheit eine zentrale Rolle.

Zur Verbesserung der Absprache zwischen unterstützender Streifenwagenbesatzung und RTH bietet es sich an, auf dem gleichen Funkkanal zu operieren und die Kommunikation dort auf kurzem Weg zu führen, ohne stets den Weg über beide Leitstellen nehmen zu müssen. Dies wird in einigen Behörden schon heute praktiziert. Optimierungsansätze ergeben sich durch das Thematisieren der Eigensicherung bei Hubschrauberlandungen in der Polizeiausbildung, nicht zuletzt schon deshalb, weil diese für den Einsatz von Polizeihelikoptern genauso gelten. Die eingangs skizzierten taktischen Einsatzmöglichkeiten eines RTH mögen für einen Polizisten interessant sein, sind für die praktische Arbeit jedoch eher belanglos.

Eine Überlegung ist ferner, für den eigenen Einsatzbereich eine Kartei potenzieller Landeplätze anzulegen, die für Polizeihelikopter und RTH gleichfalls Gültigkeit hätte. Fraglich aber ist, wie aussagekräftig eine solche Datei wäre, da Örtlichkeiten im öffentlichen Bereich stetigen Änderungen unterliegen und die Daten stets gepflegt und aktualisiert werden müssten. Das Verhältnis von Aufwand und Nutzen dieser Maßnahme ist daher kritisch zu beleuchten.


9. Optimierungsansätze

Die ausgewählten Beispiele haben gezeigt, dass wie erwartet trotz unterschiedlicher Aufgabenzuweisung zahlreiche Situationen nicht nur den gleichzeitigen Einsatz von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst, sondern vor allem deren Zusammenarbeit erfordern, damit jeder seinem Einsatzziel gerecht wird. Wie eine solche Zusammenarbeit konkret aussehen kann, wurde in den einzelnen Kapiteln dargestellt. Wenn sie im Einsatz nicht optimal funktioniert, scheitert dies überwiegend an mangelnden Kenntnissen der gegenseitigen Arbeitsweise.
Auf Arbeitsebene ist das Verhältnis in der Regel von einem kollegialen Miteinander geprägt. Verbesserungspotenzial bietet sich vor allem in Bereichen, die der zentralen Steuerung unterliegen. Hier seien nachfolgend Ideen aufgezeigt:


9.1 Integration in die Aus- und Fortbildung

Um gut miteinander arbeiten zu können, muss vor allem Klarheit über die Bedürfnisse des jeweils anderen herrschen – dies wurde bereits hinreichend erläutert. Wie aber ist dies zu gewährleisten?
Angehenden Polizeibeamten in NRW wird die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr im Rahmen ihres Studiums während des Moduls Gefahrenabwehr-Einsatz (GE) 2.3 im Fach „Einsatzlehre“ nähergebracht. Ein ergänzender Vortrag durch einen Mitarbeiter der Feuerwehr rundet das Thema ab, steht und fällt aber mit dem Engagement der Dozenten. Für das gesamte Modul GE 2.3 sind aktuell 16 Unterrichtsstunden und 14 Stunden Selbststudium vorgesehen.
Im berufspraktischen Training des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP) findet eine Sequenz zum Thema „Verhalten am Brandort“ statt, in Rollenspielen ist die Einsatzsituation „Brand“ aber nicht vorgesehen. Die Erste-Hilfe-Ausbildung findet ebenfalls am LAFP statt, hier liegt der Stundenanteil bei 25 Zeitstunden. In den Praxisabschnitten schließlich hängt es vom Zufall ab, ob sich zum Zeitraum der relativ kurzen Praktika gemeinsame Einsätze mit der Feuerwehr ergeben oder nicht.

Stellt man diesem Anteil die Bedeutung für die Einsatzpraxis gegenüber, insbesondere die medizinische Erste Hilfe betreffend, wäre eine Steigerung der Stundenanzahl wünschenswert. Dem steht die Kritik entgegen, dass der aktuelle Bachelor-Studiengang „Polizeivollzugsdienst (PVD)“ ohnehin überfrachtet ist, sei es mit Unterrichtseinheiten oder der Prüfungsdichte. Fraglich ist daher, ob sich dieser Wunsch realisieren lässt. Eine Option bestünde kurzfristig allenfalls darin, Zusammenarbeit mit der Feuerwehr und medizinische Hilfeleistung im Rahmen des Wahlpflichtmoduls anzubieten, da sich dann auch die Möglichkeit einer Exkursion böte. So würden zwar nicht alle angehenden Polizisten erreicht, aber doch immerhin ein Teil von ihnen. Ebenso ist es wünschenswert, das Thema „Zusammenarbeit mit der Feuerwehr“ und „Erste Hilfe“ im Rahmen der Fortbildung zu thematisieren, um Handlungssicherheit insbesondere bei der Erstversorgung und Kenntnisse der Gefahren an Feuerwehr - Einsatzstellen zu vertiefen. Detaillierte Betrachtungen zu Einsatzmaßnahmen bei Branddelikten oder Unfällen finden ihren Platz in gezielten Aus- und Fortbildungen für Fachdienststellen. Den Einzeldienst mit diesen Informationen zu belasten ist weder notwendig, noch didaktisch sinnvoll.

Was für die Polizei gesagt wurde, gilt gleichermaßen für die Mitarbeiter der Feuerwehr. Den wenigsten unter ihnen wird bewusst sein, welchen Stellenwert die Spurenanalyse für die polizeiliche Arbeit hat und dass es neben der Strafverfolgung vor allem zivilrechtliche Ansprüche des Opfers sind, die unwiederbringlich verloren gehen, wenn der Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt werden kann. Spurenschutz hilft also nicht in erster Linie der Polizei, sondern dem Geschädigten.
Wie viel Aufschluss sorgfältige Spurensuche und Auswertung der Ergebnisse über den Geschehensablauf geben können, vermag ein kriminaltechnischer Laie nicht einzuschätzen. Dazu gehört, dass ein nur leicht verändertes Spurenbild zu einem falschen Ergebnis führen kann. Als Beispiel sei hier nochmals die Vermeidbarkeitsberechnung bei Verkehrsunfällen genannt, wenn durch Veränderung des Spurenbildes eine andere als die tatsächliche Kollisionsstelle angenommen wird und das Ergebnis „vermeidbar“ lautet, obwohl dies gar nicht der Fall ist. Gleiches gilt für Ermittlungen nach einem Brand, die auf Grund der Spurenlage von einem Einbruch ausgehen, der durch Brandlegung verdeckt werden soll, obwohl tatsächlich bei den Löscharbeiten durch die Feuerwehr Scheiben eingeschlagen, Türen aufgebrochen und Inventar verschoben wurde. Hier muss den Einsatzkräften bewusst sein, dass die Polizei auf Dokumentation der Maßnahmen angewiesen ist.

Auf Seiten der Feuerwehr können die angesprochenen Themen ebenfalls sowohl in der Aus-, als auch der Fortbildung ihren Platz im Curriculum finden. Bei der Ausbildung für den gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst sind bereits heute theoretische Anteile und Hospitationen bei Brandermittlern der Kriminalpolizei vorgesehen. Ergänzend dazu sollte im Rahmen der Aus- und Fortbildung für medizinisches Personal die Eigensicherung einen breiten Anteil finden, denn ebenso wie Polizisten, sehen sich Rettungskräfte zunehmender Gewalt gegenüber. Während dieses Phänomen auf Seiten der Polizei zwar zunehmend, aber nicht neu ist, stellt Gewaltbereitschaft für diejenigen, die „nur“ helfen wollen, erst seit kurzer Zeit ein großes Problem dar. In Zusammenarbeit mit der Polizei können Lösungswege aufgezeigt werden, sei es hinsichtlich deeskalierender Kommunikation, oder bezüglich der Abwehr von Angriffen. Ein gelungenes Miteinander in der Aus- und Fortbildung wird seit vielen Jahren in Bremen praktiziert: Die Berufsfeuerwehr bietet Fortbildungsveranstaltungen zum Thema „Gefahren an der Einsatzstelle bei Bränden und Notfällen am Wasser“ speziell für Polizeibeamte an. Diese Seminare stoßen auf breites Interesse bei Polizisten.
Interessant ist ebenfalls ein Ansatz aus Düsseldorf: Dort wurde von der Feuerwehr eine Broschüre mit dem Titel „Für bessere Zusammenarbeit – Leitfaden für Polizeibeamte“ erstellt, die Tipps für Polizeibeamte zum Verhalten an Einsatzstellen gibt und gleichzeitig Grundkenntnisse aus dem Bereich der Feuerwehr vermittelt.


9.2 Maßnahmen auf organisatorischer Ebene

Ergänzend zum zentralen Aspekt der Aus- und Fortbildung ergeben sich auch für den praktischen Einsatzdienst leicht zu realisierende Verbesserungsmöglichkeiten: Die am Beispiel aus Bremen beschriebene Kennzeichnung von Führungskräften der Polizei ist auch auf NRW übertragbar und stellt für alle Beteiligten eine große Hilfe dar: Wenn fremde Einsatzkräfte sofort erkennen, wer polizeilicher Ansprechpartner ist, hält das die Kommunikationswege kurz und schafft Klarheit an der Einsatzstelle. Mittels der Überwurfweste für den DGL und der entsprechenden Kennzeichnung seines Fahrzeuges wäre dies einfach zu realisieren.
Eine weitere Möglichkeit, kurze Kommunikationswege zu schaffen, stellt die Option dar, bei Bedarf den Funkkanal zu wechseln, wie dies bereits beim Einsatz des RTH örtlich geschieht (siehe Kapitel 8.2): Trifft der Streifenwagen am Brand- oder Unfallort zuerst ein, kann eine kurze Rückmeldung unmittelbar an die Einsatzkräfte der Feuerwehr erfolgen, während der Weg über die Polizeileitstelle zur Feuerwehrleitstelle die Gefahr vergrößert, dass sich die Informationen auf dem Weg vom Sender zum Empfänger verändert („Stille Post“) und deutlich länger dauert. Diese Möglichkeit sollte nur bei einer unerwarteten, besonderen Lageänderung genutzt werden und bedarf einer sorgfältigen Schulung und vor allem Funkdisziplin. Auf Ebene des Gesetzgebers wäre zu prüfen, ob auch der Feuerwehr grundsätzlich gestattet werden kann, Daten der Einwohnermeldedatei abzufragen (siehe Kapitel 6.1.2). Wären diese Daten im Einsatzleitsystem der Feuerwehr hinterlegt, würde eine deutliche Verkürzung der Kommunikationswege erreicht.

Für die unmittelbare Außenwirkung beider Institutionen ist eine enge Abstimmung der Pressearbeit sinnvoll: Polizei wie Feuerwehr stehen permanent im Blickwinkel des öffentlichen Interesses. Beide setzen Pressesprecher ein, um dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung gerecht zu werden. Es bietet sich stets die Chance, durch eine zielgerichtete Medienarbeit ein positives Bild in der Öffentlichkeit zu erzeugen. Wenn aber Feuerwehr- und Polizeipressestelle beispielsweise unterschiedliche Opferzahlen veröffentlichen oder die Maßnahmen des anderen ungenau kommentieren, entsteht sehr schnell und völlig unnötig ein unprofessioneller Eindruck.

Zu guter Letzt seien Krisenintervention und Notfallseelsorge angesprochen, die mittlerweile („Gott sei Dank“ möchte man sagen) ihren festen Platz in der Polizei gefunden haben. Gerade in Berufen, die zwangsläufig mit viel Leid in Kontakt kommen, ist eine verdrängende Mentalität völlig fehl am Platz und stellt neben den sozialen und familiären Folgen eine ganz konkrete Gesundheitsgefahr dar. Mitarbeitern von Feuerwehren und Rettungsdiensten geht es genauso; sie sind im Einsatz mit Bildern konfrontiert, die die menschliche Vorstellungskraft oft weit übersteigen. Deshalb stehen für sie ebenso Notfallseelsorger und Interventionsteams bereit, die sowohl beim Umgang mit Betroffenen an der Einsatzstelle helfen, als auch beim Verarbeiten psychisch traumatisierender Erlebnisse. Gemeinsame Gespräche mit Polizisten, Feuerwehr- und Rettungsdienstkräften können eine hervorragende Basis bieten, um sich und den anderen besser kennenzulernen, fernab von einsatztaktischen Diskussionen, aber mit allen Sorgen und Nöten und Gemeinsamkeiten dieser anspruchsvollen Berufe.


10. Fazit

Tagtäglich arbeiten Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst in unzähligen Einsätzen zusammen, wenn es gilt, bei Notfällen Hilfe zu leisten, den Geschädigten zur Seite zu stehen und deren Ansprüche durchzusetzen. Jede Institution leistet vor Ort professionelle Arbeit. Trotz der unterschiedlichen Arbeitsbereiche kommt es zu vielen Überschneidungen, in denen sich das Handeln des einen unmittelbar auf die Aktion des anderen auswirkt. Zahlreiche Beispiele für derartige Schnittmengen wurden im Rahmen dieser Arbeit identifiziert und diskutiert. Es konnte aufgezeigt werden, dass es oftmals genau diese Schnittmenge ist, die zum Einsatzerfolg beiträgt – für beide Seiten.

Die Auswertung der Fachliteratur und persönliche Betrachtungen haben gezeigt, dass diese Zusammenarbeit zwischen Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei über weite Teile sehr gut funktioniert und besser ist, als man es ob der verschiedenen Aufgaben vielleicht erwarten würde.

Geschichten von Polizisten, die ihren FuStKw beim Wohnungsbrand in der Feuerwehrzufahrt abstellen und dann mit einem Tuch vor dem Mund in verrauchte Häuser stürmen oder von Feuerwehrleuten, die in Mannschaftsstärke ebenso gnadenlos wie erfolgreich sämtliche Spuren zertrampeln, sind inzwischen äußerst selten geworden. Im Gegenteil: Wenn in publizierten Einsatzberichten ein Blick auf die Arbeit des anderen geworfen wurde, so geschah dies ausschließlich mit positiven Anmerkungen zur guten und notwendigen Zusammenarbeit.

Durch diese Thesis konnte deutlich gemacht werden, dass falsches Verhalten seine Ursache überwiegend in fehlenden Informationen über die Maßnahmen des anderen findet. Das Ergebnis spiegelt die zusammengetragenen Fakten wider: Der größte Ansatzpunkt liegt in der Aus- und Fortbildung der Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei. Nur hier kann ein breiteres Verständnis und Interesse geweckt werden. Ein zentral entworfenes Curriculum zu diesem Thema wäre lohnenswert, wobei dies in keiner Weise die guten Ansätze auf lokaler Ebene in Frage stellen, sondern ergänzen und zusammenführen soll. Das Thema ist zu wichtig, als das es nur von örtlichen Beziehungen abhängen darf.

Auch für den Einsatzalltag gilt: Nichts ist so gut, dass man es nicht noch optimieren könnte. Viele der herausgearbeiteten Vorschläge lassen sich relativ einfach realisieren und stellen dennoch eine große Verbesserung dar, hier sei nochmals auf die Kennzeichnung der polizeilichen Führungskräfte und die Warnbeklebung der Einsatzfahrzeuge hingewiesen. Erst die Summe aus vielen Kleinigkeiten ergibt ein funktionierendes Ganzes.
Packen wir’s an! Zum Nutzen der Polizei, zum Nutzen der Feuerwehr, zum Nutzen der Rettungskräfte - vor allem aber zum Nutzen der Bürger unseres Landes. In Notlagen professionell Hilfe zu leisten ist die ureigene Aufgabe beider Behörden. Der Weg dorthin ist unterschiedlich, das Ziel aber ist nur gemeinsam zu erreichen.


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Feuerwehr-Dienstvorschrift FwDV 3 - Einheiten im Lösch- und Hilfeleistungseinsatz, Stand Februar 2008

Sowie eigene Anschauung des Verfassers im Rahmen einer Hospitation bei der Berufsfeuerwehr Bremen in der Zeit vom 04.05. – 06.05.2011


  • Autor:
Dipl.-Ing. Stephan Bockting




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