Piper Alpha

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Die Piper Alpha war eine große Bohrinsel in der Nordsee im Piper-Ölfeld etwa 170 km nordöstlich von Aberdeen. Sie gehörte den Firmen Occidental Petroleum (78%) und Texaco (22%).

Die Plattform begann 1976 mit der Produktion, war als Ölplattform entworfen und gebaut worden; Occidental und Texaco rüsteten sie (1980) auf Gas um. Piper Alpha beförderte etwa 10 % der gesamten damaligen Öl- und Gasproduktion in der Nordsee an die Erdoberfläche. Ein Feuer zerstörte die Piper Alpha am 6. Juli 1988. Mit 167 Todesopfern war es der schwerste Unfall auf einer Bohrinsel.


Aufbau der Bohrinsel

Die Bohrinsel bestand aus vier Modulen, die durch Brandschutzwände voneinander getrennt waren. Entsprechend den Sicherheitserfordernissen waren die Module so angeordnet, dass die gefährlichsten Arbeiten möglichst weit entfernt von den Mannschaftsräumen stattfanden. Die Umrüstung von Öl auf Gas im Jahre 1980 durchbrach dieses Konzept und hatte zur Folge, dass einige sensible Bereiche direkt nebeneinander angeordnet werden mussten, z.B. die Gaskompression neben dem Kontrollraum, was schließlich einen Unfall zur Folge hatte.

Da die Bohrinsel ursprünglich als Ölplattform gebaut war, waren die Feuerschutzwände nicht für die Hemmung von Explosionen ausgelegt. Das Feuer konnte sich entlang der Feuerschutzwände nach unten ausbreiten und zerstörte einige Ölleitungen.

In der Nähe der Piper Alpha verliefen Gasleitungen mit mehreren Metern Durchmesser. Zwei Jahre zuvor hatte das Management von Occidental eine Studie in Auftrag gegeben, die vor den Gefahren warnte, die von diesen Gasleitungen ausging. Den darin enthaltenen Druck abzubauen würde wegen Länge und Durchmesser der Leitungen mehrere Stunden dauern, so dass ein Feuer auf diesen Leitungen praktisch unmöglich zu bekämpfen wäre. Obwohl dem Management die Gefahr einer verheerenden Gasexplosion bekannt war, wurden die Plattformen Claymore und Tartan nicht beim ersten Notruf abgeschaltet.


Vorgeschichte des Brandes

Das Unglück entwickelte sich stufenweise. Innerhalb der ersten Stunde gab es einige kritische Momente, in denen die richtigen Entscheidungen die Katastrophe verhindern oder zumindest in ihren Auswirkungen wesentlich hätten abmildern können.

In den Wochen vor dem 6. Juli 1988 wurde eine neue Gasleitung gebaut. Diese Arbeiten führten zu Abweichungen von der gewohnten Routine, trotzdem wurde die Plattform wie gewohnt betrieben. Auch die Entdeckung einiger kleiner Gaslecks war normal und kein Grund zur Beunruhigung.

Auf der Plattform gab es zwei große Kompressoren, bezeichnet mit A und B. Diese Maschinen verdichteten das geförderte Gas, damit es zur Küste weitergeleitet werden konnte. Am Morgen des 6. Juli wurde bei Kompressor A das Überdruckventil zur Überholung entfernt. Außerdem war der Kompressor für eine vierzehntägige Generalüberholung vorgesehen, die jedoch noch nicht begonnen hatte. Die offene Röhre wurde mit einer Metallplatte provisorisch verschlossen. Weil die Arbeit bis 18:00 nicht fertiggestellt werden konnte, blieb die Metallplatte an Ort und Stelle. Der diensthabende Ingenieur füllte ein Formblatt aus, aus dem hervorging, dass der Kompressor nicht betriebsbereit war und keinesfalls eingeschaltet werden durfte.

Zusätzlich war zum Zeitpunkt des Unfalls das automatische Löschsystem ausgeschaltet. Pumpen sollten sich im Brandfall vollautomatisch einschalten und Wasser auf die Insel pumpen. Wenn Taucher auf der Piper Alpha arbeiteten, wurden die Pumpen auf Handbetrieb umgestellt und konnten nur von einem einzigen Punkt aus wieder eingeschaltet werden. Auf anderen Plattformen wurde nur dann auf Handbetrieb umgestellt, wenn sich die Taucher in der Nähe der Einlassstutzen befanden, um zu verhindern, dass sie mit dem Meerwasser angesaugt würden. Auf der Piper Alpha jedoch wurde grundsätzlich immer dann, wenn Taucher im Wasser waren, die automatische Löschanlage auf Handbetrieb umgestellt, unabhängig davon, wo sich die Taucher aufhielten. So konnte am Abend des 6. Juli 1988 die Löschanlage nur per Hand in Betrieb genommen werden.


Chronologie

  • 18:00h: Weil er den diensthabenden Aufseher beschäftigt fand, unterließ es der Ingenieur, ihn persönlich vom Zustand von Kompressor A zu unterrichten.
  • 21:45h: Kompressor B stoppte plötzlich und ließ sich nicht mehr in Gang bringen, die Stromversorgung der Bohrinsel drohte innerhalb weniger Minuten zusammenzubrechen.
  • 21:52h: Kompressor A wurde hochgefahren; den zuständigen Personen war nicht bewusst, dass das Hochdruckventil fehlte, da das entsprechende Formblatt getrennt von der Mitteilung der Generalüberholung lag.
  • 21:57h: Das durchströmende Gas drückte die Metallplatte aus ihrer Halterung und strömte aus. Dies hätte verhindert werden können, wenn die Halteschrauben der Platte nicht nur handfest angeschraubt, sondern mit geeignetem Werkzeug richtig fest an gezogen worden wären. Eine erste Explosion tötete wahrscheinlich zwei Arbeiter, das Feuer breitete sich über die Plattform aus. Der Aufseher beendete per Not-Aus die Öl- und Gasförderung der Plattform, durch angeschlossene Leitungen von den Plattformen Tartan und Claymore floss jedoch stetig Öl und Gas nach.
  • 22:04h: Die Mannschaft gab den Funkraum auf, der zur Koordination während eines Unglücks vorgesehen war. Organisierte Arbeiten zur Eindämmung des Unglücks brachen damit zusammen.
  • 22:20h: Die Gasleitung von der Tartan-Plattform schmolz und brach. Drei Tonnen Gas traten jede Sekunde aus und verbrannten. Auf einer Fläche von nur 75m² wurde der eineinhalbfache Gasverbrauch des gesamten Vereinigten Königreiches abgefackelt. Von diesem Zeitpunkt an war die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten.
  • 22:50h: Die zweite Gasleitung barst und explodierte. Auch Claymore stellte die Förderung ein.
  • 23:50h: Der Versorgungsblock rutschte ins Meer, der größte Teil der Plattform folgte ihm nach.


Besatzung

Die Männer waren im Training instruiert worden, die Rettungsbootstationen aufzusuchen und dort auf weitere Anweisungen zu warten. Wegen des Feuers konnten die Männer die vorgeschriebenen Stationen nicht mehr erreichen. Sie versammelten sich, wie in solchen Fällen üblich, am alternativen Sammelpunkt, im feuergeschützten Versorgungsblock direkt unter dem Hubschrauberdeck. Dort warteten sie auf Rettung aus der Luft. Weil der Wind aus einer ungünstigen Richtung wehte und Feuer und Rauch über den Hubschrauberlandeplatz blies, konnte jedoch kein Hubschrauber landen. Die Männer erhielten keine weiteren Anweisungen, und der Versorgungsblock füllte sich langsam mit Rauch, da die Lebensbereiche seinerzeit nicht, wie heute üblich durch erhöhten Luftdruck und interne Atemluftaufbereitung geschützt waren.

Nach der ersten Gasexplosion war ein Großteil der Männer im Versorgungsblock noch am Leben, obwohl die Lage wegen des zunehmenden Rauches zunehmend verzweifelt wurde; so effizient war die feuerhemmende Verkleidung. Einige Männer begannen, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Obwohl sie gewarnt worden waren, dass es den sicheren Tod bedeute, suchten sie den Weg nach unten aus dem Versorgungsblock und riskierten den 30 Meter tiefen Sprung ins Meer.

Zufällig ankerte die Tharos, eine große Rettungsinsel, in unmittelbarer Nähe der Piper Alpha. Diese fahrbare Insel war von Occidental eigens für einen derartigen Notfall gebaut worden. Doch auch hier versagte die Technik. Zunächst fuhr die Tharos die Feuerwehrschläuche zu schnell aus. Das System schaltete sich ab, die Mannschaft der Insel verlor zehn kostbare Minuten, um es wieder in Gang zu bringen. Die ausfahrbare Gangway bewegte sich nur quälend langsam und benötigte über eine Stunde, um auf die volle Länge von 30 Metern auszufahren.

Die zweite Explosion warf die Tharos zurück, die Mannschaft konnte nur mehr beobachten, wie die Plattform langsam schmolz und zusammenbrach.


Fehler während des Unfalls

Claymore pumpte bis zur zweiten Gasexplosion Öl durch die Leitung, weil der Manager vom Kontrollzentrum der Occidental nicht die Erlaubnis erhielt, die Bohrinsel abzuschalten. Auch Tartan pumpte weiter, deren Manager hatte diese Direktive von seinem Vorgesetzten erhalten. Die Ursache für diese Vorgangsweise lag in den exorbitanten Kosten begründet, mit denen eine Abschaltung einer Plattform verbunden ist. Es dauert mehrere Tage, die Produktion nach einem Stillstand wieder auf das Normalmaß zu bringen. Daher konnte diese Entscheidung von den Managern der Plattformen nicht ohne weiteres getroffen werden. Weil sie mit erheblichen Sanktionen ihres Dienstgebers hätten rechnen müssen, zogen sie es vor, sich bei Occidental rückzuversichern.


Folgen

Denkmal für die Opfer der Katastrophe im schottischen Aberdeen Original uploader was PMJ

Zum Zeitpunkt des Unglücks am 6. Juli 1988 befanden sich 226 (anderen Quellen zufolge 229) Männer an Bord, von denen 166 auf der Plattform starben, ein weiterer Arbeiter starb später im Krankenhaus. Diejenigen, die überlebten, waren entgegen den geltenden Vorschriften ins Meer gesprungen.

Das Management der Occidental Petroleum berief sich darauf, dass es sich um den ersten Unfall auf einer ihrer Plattformen in der Nordsee gehandelt habe. Dabei verschwiegen die Verantwortlichen, dass es bereits vier Jahre zuvor einen tödlichen Unfall auf der Piper Alpha gegeben hatte, bei dem ein Arbeiter starb. Occidental zerstörte die verbogenen Überreste der Plattform und gab innerhalb eines Jahres sämtliche Aktivitäten in der Nordsee auf. Schätzungen zufolge kostete die Katastrophe Occidental über 15 Milliarden Dollar.

Die Piper Alpha brannte noch drei Wochen, bevor sie Red Adair und seine Mannschaft löschen konnten. Sie brachten das Großfeuer unter Kontrolle, indem sie Zement in die Bohrlöcher pumpten und sie dann kappten.

Von den Getöteten konnten später 135 (oder 137, die Quellen sind nicht einheitlich) geborgen werden, die restlichen Leichen blieben vermisst. Der Großteil der Opfer war an Rauchgasvergiftung gestorben, nur die wenigsten an Verbrennungen.

Die umfangreiche Untersuchung durch die Cullen-Kommission deckte die Mängel im Management und in den Abläufen von Occidental auf. Die Kommission machte in ihrem Bericht 106 Vorschläge, um die Sicherheit auf Bohrinseln zu verbessern. Die Ölindustrie akzeptierte sämtliche Vorschläge. Sie betrafen Verbesserungen bei der Dokumentation von Arbeiten an den Maschinen ("permit to work"), günstigere Platzierungen der Sicherheitsventile an den Leitungen, die Wärmeisolierung von unterseeischen Leitungen, Verbesserungen der Evakuierungssysteme, Verringerung der Rauchgefahr sowie eine Einführung von Sicherheitsaudits.


Weblinks



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