Ermittlungsstörende Informationsweitergabe bei Einsätzen mit der Exekutive

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Bei jedem größeren Brand sind Mitarbeiter der Presse vor Ort.
Foto: Rainer Schwarz

Ermittlungsstörende Informationsweitergabe bei Einsätzen mit der Exekutive Die Öffentlichkeitsarbeitsteams der Österreichischen Feuerwehren leisten wichtige Arbeit. Sie sind Informationsbringer für Medien, ohne deren Berichterstattung die Feuerwehren unter der Informationsflut in Zeitungen, Radio und Fernsehen untergehen würden. Gerade bei Einsätzen mit der Polizei ist allerdings das richtige Maß wichtig. Nicht selten wirkt sich die ungefilterte Informationsweitergabe störend auf die Ermittlungen der Beamten aus. Von FT Ing. Richard Berger, Freiwillige Feuerwehr der Stadt Mödling


Die Arbeit der Polizei und der jeweiligen Kriminaldienststellen der Länder und des Bundes beginnt meist dann, wenn die Feuerwehr mitten in ihrer Arbeit ist. Sei es Brandursachenermittlung oder Ermittlung wegen Verdachts auf strafbare Handlungen, wie zum Beispiel Versicherungsbetrug, Vandalismus oder gar Gewaltverbrechen: Die Polizei muss anfänglich alle Ermittlungswege offen halten. Informationen der Feuerwehren sind hierfür wichtig.
Auch die Medien sind interessiert so spektakulär als möglich die Berichte für Zeitung, Radio oder Fernsehen darstellen zu können. Meist werden noch während des Feuerwehreinsatzes Einsatzleiter oder Feuerwehrmitglieder interviewt. Doch ist es nicht immer von Vorteil alles Preis zu geben, was man weiß, oder noch schlimmer, was man denkt, dass man weiß.


Zwei Beispielfälle

Niederösterreich: Ein Badegast wird vermisst. Sein Handtuch und seine persönliche Habe liegen bereits seit zwei Tagen am Badestrand eines beliebten Teiches im Süden von Wien. Die ermittelnden Beamten finden ein zweites Paar Schuhe, sonst keine weiteren persönlichen Gegenstände, die auf das Fehlen einer zweiten Person hindeuten. Man beginnt mit den Ermittlungen. Parallel wird der Tauchdienst der Feuerwehr hinzugezogen. Die Taucher finden nach kurzer Suche eine Person, die nicht jene ist, welche vermisst wurde. Die Presse wurde von einem Feuerwehrfunktionär zum Einsatzort berufen. Es werden Interviews gegeben und Informationen über die zweite Person offengelegt. Noch weiß man nicht, ob es sich um ein Gewaltverbrechen handelt oder nicht. Im Internet werden bei den Medien bereits Details zum Fall veröffentlicht. Kurz danach Entwarnung: Die eigentlich vermisste Person wird ebenfalls von Tauchern gefunden. Es handelte sich um Cousins – Die Österreichische Feuerwehr berichtete im August 2007 über diesen unüblichen Einsatz. „Hätte es sich tatsächlich um ein Gewaltverbrechen gehandelt, wären unsere weiteren Ermittlungen durch die Bekanntgabe gewisser Details zum Fall erheblich beeinträchtigt worden. Geschweige denn die Möglichkeit, Trittbrettfahrern die Möglichkeit über bestimmte Vorgehensweisen offen zu legen. Ein auseinanderhalten von Fällen aufgrund von Vorgehensdetails wäre unmöglich geworden.“, berichtet Chefinspektor Manfred Sulzer, Mitarbeiter des Kriminaldienstreferates im Bezirkspolizeikommando Mödling im Interview.


Auch bei Brandeinsätzen ist es beim Verdacht auf Brandstiftung wichtig, besondere Details hintanzuhalten, solange diese nicht von der Polizei freigegeben wurden. So kam es bei einem Brand in einem Geschäftslokal fast zu einem Ermittlungsdesaster, als man den Lokalbesitzer über gewisse Details informierte. Allerdings stellte sich heraus, dass ebendieser der Brandstifter war.


Wichtig im Umgang mit Medien ist, die Journalisten und Vertreter von Presse nicht als „Übermenschen“ zu betrachten. Journalisten sind mit kleinsten Informationen zufrieden. Wenn man auf laufende Ermittlungen hinweist, sind grobe Informationen schon oft ausreichend. Auch sollte die Feuerwehr nicht über noch nicht manifestierte Ursachen spekulieren: „Wegen überhöhter Geschwindigkeit“ oder „aufgrund eines Kabelbrandes“ sind gutgemeinte Informationen. Allerdings nur dann, wenn dies von der ermittelnden Stelle auch so bestätigt wurde. Solange noch kein offizielles Ermittlungsergebnis vorliegt sollte man immer von einer „unbekannten Ursache“ in den Gesprächen mit der Presse sprechen


Pressebetreuung

Der Presseoffizier der Feuerwehr oder das Mitglied, welches die Pressebetreuung bei einem Einsatz übernimmt, sollte sich mit dem leitenden Beamten der Exekutive im Vorfeld über die Medienbetreuung beraten. Auch kleine Pressekonferenzen am Einsatzort oder im Feuerwehrhaus sind gute Wege, alle Pressevertreter auf einmal mit den Informationen zu versorgen. Bei diesen klein angelegten, provisorischen aber aktuellen Pressekonferenzen sollte unbedingt ein Vertreter der Exekutive am Podium dabei sein. Der Informationsgehalt sollte vorher abgesprochen werden. Meist sind besondere Umstände bei der Bergung oder beim Löschvorgang, die Mannschaftsstärke und die Anzahl von Feuerwehrfahrzeugen und Feuerwehren gute Informationen, welche von der Presse gerne verarbeitet werden. Diese Informationen zeigen die Umstände, welche am Einsatzort herrschen. Man sollte sich auf solche – für uns unwesentlich erscheinenden – Angaben konzentrieren. Warum ein Brand ausgebrochen ist oder unter welchen besonderen Umständen eine Person ums Leben kam ist sekundär. Dies kann mit einer Presseaussendung nach Abschluss der Ermittlungen immer noch an die Medien verteilt werden. Meist führt dies dann zu einem zweiten Artikel, der wiederum „Werbung“ für die Feuerwehr sein kann.
Ebenfalls wichtig ist, dass die Pressebetreuer ihre Ansprechpartner der Medien kennen. Regelmäßige Kontakte und Informationen über die Vorgehensweise der Pressebetreuung helfen den Journalisten, die Feuerwehr und die Exekutive zu verstehen. Auch helfen Kontakte zu den Medien, dass Artikel über die Feuerwehr regelmäßig geschalten werden. Dies betrifft nicht nur lokale Medien, sondern auch überörtliche Medien wie österreichweit erscheinende Printmedien und den österreichischen Rundfunk.


Verhaltensregeln


Der deutsche Innenministerrat hat sogenannte Verhaltensgrundsätze „zur Vermeidung von Behinderungen bei der Durchführung polizeilicher Aufgaben und der freien Ausübung der Berichterstattung“ herausgegeben. Diese beziehen sich auf die Polizeiarbeit, sind aber auf die Feuerwehr gleichermaßen umzulegen. In der Infobox finden Sie die ersten neun von elf Verhaltensgrundsätzen, welche leicht modifiziert wurden.


Interview


Der seit 2002 im Kriminaldienstreferat des Bezirkspolizeikommandos Mödling tätige Chefinspektor Manfred Sulzer schätzt die Arbeit der Feuerwehr ungemein. Im Interview mit der Fachzeitschrift „Die Österreichische Feuerwehr“ weist Manfred Sulzer auf die Wichtigkeit von Zurückhaltung und richtiger Vorgehensweise hin:

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Welche Informationen sind ermittlungsrelevant?
Chefinspektor Sulzer:
Alle Angaben zu Identitäten, Personaldaten, aber auch Details vom Einsatzort wie aufgebrochene Türen, hinterlegte Gegenstände. Auch wenn man als Feuerwehrmitglied Details von Fahndungsmaßnahmen oder Ermittlungsvorgehen erfährt, sollte man sich hier bedeckt halten.


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Wie wirkt sich die Weitergabe solcher Informationen ermittlungsstörend aus?
Chefinspektor Sulzer:
Besonders bei Kriminaldelikten stellen sich gerne Trittbrettfahrer als Täter dar, obwohl diese mit dem eigentlichen Delikt gar nichts zu tun haben. Durch Detailwissen aus den Medien verzögern – ja behindern gar – diese Personen die Ermittlungen. Aufgrund des ausführlichen Wissens konzentrieren sich die Ermittlungen dann auf die falsche Person. Bis man herausgefunden hat, dass diese Person gar nichts mit dem Fall zu tun haben kann, ist der eigentliche Täter bereits über alle Berge. Aber auch falsche Zeugen wollen sich mit Detailwissen aus den Medien wichtig machen. Dies bedeutet unnötigen Zeitaufwand, der dem Steuerzahler Geld kostet.


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Wie sähe der korrekte Ablauf bei Einsätzen mit massiver Pressepräsenz Ihrer Meinung nach aus?
Chefinspektor Sulzer:
Meistens ist die Feuerwehr noch am Arbeiten, während die Polizei die Ermittlungen erst aufnimmt. Zumeist werden Feuerwehrmitglieder, welche als erste am Einsatzort eintrafen, als erste Zeugen befragt. Hauptsächlich über Details wie: war die Tür aufgebrochen, lagen die Kleidungsstücke so am Badestrand oder waren die Fenster schon beim Eintreffen der Feuerwehr geborsten. In weiterer Folge wäre es dann sinnvoll, dass die jeweiligen Einsatzleiter oder Pressebetreuer sich zurückziehen und sich gegenseitig absprechen, was nun in welcher Form an die Presse weitergegeben werden kann. Eine kleine Pressekonferenz könnte hier hilfreich sein. Am Beispiel Seegrotte (Umgestürztes Ausflugsboot mit mehreren Toten Ausflüglern auf Österreichs größtem unterirdischen See im Jahr 2004, Anm. d. Autors) sieht man, was eine solche Pressekonferenz bringt. Hier wurden die Journalisten und Pressevertreter vom eigentlichen Geschehen in einen Ort gezogen, welcher abseits des Trubels lag. Somit konnten die Einsatzkräfte nahezu ungestört arbeiten und die Presse war dennoch zufrieden.


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Wann kann ein vollständiger Pressetext gesendet werden?
Chefinspektor Sulzer:
Dies ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Es hängt zu 100% von den notwendigen Ermittlungen ab. Zumeist bekommt die Feuerwehr von den Ermittlungsergebnissen aus datenschutzrechtlichen Gründen nichts von den Ermittlungsergebnissen mit. Im BMI (Bundesministerium für Inneres, Anm. d. A.) wird intern das Ergebnis von der ermittlungsleitenden Stelle weitergegeben. Eine Presseaussendung seitens der Polizei ist meist das Ende einer Ermittlung. Oft werden aber mit solchen Aussendungen auch Aufrufe an die Öffentlichkeit an die Medien weitergegeben. Dieser Ablauf ist wichtig um etwaige Absprachen unter mehreren Verdächtigen zu verhindern.


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Mit wem klärt man die Informationsweitergabe seitens der Feuerwehr am Besten im Einsatzfall ab?
Chefinspektor Sulzer:
Der beste Ansprechpartner ist das zuständige Bezirks- oder Stadtpolizeikommando. Diese verweisen auch im Falle einer anderen ermittelnden Stelle an die richtigen Ansprechpartner. Mit diesen Stellen sollte man VOR einer Weitergabe von Informationen unbedingt Rücksprache halten.


DIE ÖSTERREICHISCHE FEUERWEHR
Vielen Dank für das Interview


Infobox:

  • 1. Regelmäßige Kontakte zwischen Medien und Polizei (Anm. d. A.: Feuerwehr) sind die beste Voraussetzung zur Vermeidung unnötiger Konfliktsituationen. Hierbei sollte jede Seite bemüht sein, Verständnis für die Arbeit der anderen zu wecken und aufzubringen.


  • 2. Gerade bei spektakulären Anlässen bedarf es eines sachlichen, vertrauensvollen, offenen und verlässlichen Umgangs miteinander.


  • 3. Für Medien und Polizei (Anm. d. A.: Feuerwehr) ist es vorteilhaft, dass die Polizei (Anm. d. A.: Feuerwehr) über Presse- und Informationsstellen (evtl. auch vor Ort) den direkten Kontakt zu den Medien herstellt und aufrechterhält. Unmittelbare Gespräche sind erfahrungsgemäß geeignet, Missverständnissen vorzubeugen.


  • 4. Auch in schwierigen Situationen hat die Polizei (Anm. d. A.: Feuerwehr) die Medien frühzeitig, umfassend und verständlich zu informieren, sofern nicht rechtliche Belange entgegenstehen. In strafrechtlichen Ermittlungsverfahren hat die Polizei (Anm. d. A.: Feuerwehr) die Leitungs und Weisungsbefugnis der Staatsanwaltschaft (resp. die Feuerwehr jene des ermittelnden Kriminalamtes, Anm. d. A.) zu berücksichtigen.


  • 5. Insbesondere bei Unglücksfällen, Katastrophen und Fälle von Schwerstkriminalität beachten die Medien, dass die Rechtsgüter Leben und Gesundheit von Menschen Vorrang vor dem Informationsanspruch der Öffentlichkeit haben. In Fällen von Schwerstkriminalität sollen Einzelheiten über polizeitaktische Maßnahmen (z.B. Fahndungs-/Zugriffsmaßnahmen) nicht ohne Absprache mit der zuständigen Polizeiführung - die sich gegebenenfalls mit der Staatsanwaltschaft abzustimmen hat - veröffentlicht werden.


  • 6. Journalisten schildern Tatverläufe und Hintergründe, dürfen sich aber nicht zum Werkzeug von Straftätern machen lassen. Sie sollen Straftätern während des Tathergangs keine Möglichkeit zur öffentlichen Selbstdarstellung geben. Die Erfüllung der polizeilichen Aufgabe darf in solchen Fällen durch die Art der Berichterstattung nicht behindert werden.


  • 7. Die Polizei (Anm. d. A.: Feuerwehr) soll für eine einsatzbezogene Pressearbeit möglichst ereignisnah eine besondere, deutlich kenntliche, mobile Pressestelle einrichten. Die Pressearbeit erfolgt ggf. in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft. Bei vorhersehbaren Einsätzen soll die Polizei (Anm. d. A.: Feuerwehr) die Medien frühzeitig unterrichten.


  • 8. Der einheitliche Presseausweis erleichtert die Nachprüfung, wer als Berichterstatter tätig ist. Verlangen Sie diesen.


  • 9. Das Fotografieren und Filmen von Einsätzen unterliegt grundsätzlich keinen rechtlichen Schranken. Auch Filmen und Fotografieren mehrerer oder einzelner Polizeibeamter (Feuerwehrmitglieder, Anm. d. A.) ist bei Aufsehen erregenden Einsätzen im Allgemeinen zulässig. Die Medien wahren die berechtigten Interessen der Abgebildeten und beachten insbesondere die Vorschriften des Kunsturhebergesetzes bei Veröffentlichungen des Film und Fotomaterials.


Quelle:

FT Ing. Richard Berger

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  • E - Mail: Richard.Berger@ffmoedling.at


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