Forensische Spurensuche

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Forensische Spurensuche nach einer Türöffnung

eine Tür sollte man nicht öffnen, indem man den äußeren Schließzylinder beschädigt. Dann läßt sich später nicht mehr nachweisen, ob jemand mit einem falschen Schlüssel die Tür öffnete, was bei einer Straftat sehr wichtig ist.
Foto: Michael Arning
Kernstiftkuppe mit Spuren einer Schraube.
Foto: Diplom Physiker Sebastian Kuhl
Kernstiftkuppe mit Werkzeugspuren.
Foto: Diplom Physiker Sebastian Kuhl
Zylinderhälfte mit Ziehschraube. Eine forensische Spurensuche nach einer Türöffnung ist dann nicht mehr möglich.
Diplom Physiker Sebastian Kuhl
ein Bagger sollte im Beisein oder zumindest in Abstimmung mit den Kriminaltechnikern oder dem Brandursachenermittler erfolgen.
Foto: Jörg Cicha

Als Sachverständiger für Kriminaltechnik (im Bereich Einbruchspuren) bin ich für Versicherungen und die Polizei sowie für Gerichte an Schadenorten bzw. Tatorten unterwegs, um bei der Aufklärung eines Sachverhaltes zu helfen. Hierbei kommen auch Brandschäden nach einer Brandlegung, aber auch sehr selten mal Tötungsdelikte vor.
„Wie ist ein Brandstifter in ein Gebäude gelangt?“ oder „Wie konnte ein möglicher Täter die Wohnung betreten haben?“, sind dabei typische Aufgabenstellungen.
In den vergangenen Monaten sind mir dabei, vermutlich durch Unwissenheit, Steine in den Weg gelegt worden. Diese Probleme beziehen sich auf die Vernichtung von Spuren durch die Feuerwehren. Bitte verstehen sie mich nicht falsch, ich möchte nicht die Einsätze der Feuerwehren schlecht machen. Ich möchte vielmehr aufzeigen, was für mich bzw. für meine Tätigkeit hinderlich ist. Gerne liefere ich auch einen Lösungsansatz dafür, damit hoffentlich bei weiteren Einsätzen der im Folgenden beschriebenen Art keine Spuren mehr zerstört werden. Es geht also um Prävention auch Kriminalprävention durch Information! (Bild der Feuerwehrleute vor der Tür)

Zunächst möchte ich zwei Fallbeispiele nennen, die mein Anliegen aufzeigen:


Beispiel 1 – Brandschaden in einem Restaurant

Beim Eintreffen der ersten Einsatzkräfte wurde eine Zugangstür offenstehend angetroffen. Der Löschangriff konnte daher über diesen Zugang erfolgen, weitere Öffnungen mussten durch die Feuerwehr nicht geschaffen werden. Nachdem das Feuer gelöscht war, wurde abschließend das Gebäude gegen den Zutritt Unbefugter abgesichert. Dazu wurde der Schließzylinder der zuvor beschriebenen Tür gewaltsam entfernt und durch einen neuen ersetzt, damit die Schlüsselgewalt zunächst nur bei der ermittelnden Kriminalpolizei lag.

Der Zylinder wurde leider durch die Feuerwehr von außen gezogen, mitgenommen und entsorgt. Somit entfiel die Möglichkeit festzustellen, ob ein ehemaliger Mitarbeiter (wurde im Streit entlassen) mit seinem passenden Schlüssel das Objekt betrat, um Feuer zu legen. Eine Aufklärung für den Betreiber, dessen Lebenswerk zerstört wurde, war nicht mehr möglich.


Beispiel 2 – Tötungsdelikt eines Kindes in der heimischen Wohnung

Nach einem Hinweis fuhr die Polizei zur Wohnung (Tatort). Nachdem keiner öffnete, wurde die Tür eingetreten. Ein Kind wurde tot aufgefunden, die Eltern waren nicht anwesend. Nach der Spurensicherung (Tatortaufnahme) stellte sich die Frage der Absicherung der eingetretenen Tür. Die Feuerwehr wurde hinzugezogen, um den Verschluss der Tür wieder herzustellen. Mit Hilfe eines Ziehwerkzeuges wurde der Zylinder leider von außen entfernt und der Polizei übergeben. Durch die außen eingedrehte Schraube konnte nicht mehr zweifelsfrei geklärt werden, ob dieser Schließzylinder vorher gewaltsam geöffnet wurde, um die Tat auszuführen.
Eine Klärung des Tötungsdeliktes wurde dadurch zunichte gemacht.

Ich schätze die Arbeit der Feuerwehren sehr.
Bei akuten Einsätzen müssen sekundenschnell Entscheidungen getroffen werden. Türen müssen, ohne Zeit zu verlieren, geöffnet werden. Die Situationen und die Gefahren, denen sie sich entgegen stellen, verlangen alles ab. Das verdient höchsten Respekt. Aber die beiden beschriebenen Beispiele waren Situationen ohne Zeitdruck.
Die Türen standen jeweils offen.
Bei der Untersuchung eines Schließzylinders ist die Außenseite relevant. An den Verschlusselementen im Zylinder lassen sich Spuren finden, aus denen ich z.B. auf ein verwendetes Werkzeug schließen kann. Derartige Spuren werden durch das Eindrehen einer Schraube zerstört (Bild einer Zylinderhälfte mit eingedrehter Schraube, 2 Bilder von Stiftkuppen ohne und mit Spuren einer Schraube).
Möglicherweise ist es einfacher geschrieben, als es umgesetzt werden kann, aber muss man nicht generell bei Absicherungsmaßnahmen, bei denen eine gewaltsame Zylinderentfernung erforderlich ist, von der Innenseite auf den Zylinder einwirken? Dies kann helfen, die Zerstörung einer Existenz oder gar den Verlust eines Menschenlebens aufzuklären!

In Artikeln zur Türöffnung wird häufig darauf hingewiesen, dass bevor eine Tür angegangen wird, überprüft werden sollte, ob es andere Wege über ein Fenster oder eine Terrassentür gibt. Sofern dies nicht möglich ist, würde man die nachfolgenden Untersuchungen zur Aufklärung einer möglichen Straftat am wenigsten behindern, wenn die Tür, sofern sie beim Eintreffen der Einsatzkräfte keine Spuren einer Überwindung aufweist, aufgehebelt werden würde. Auch das Abbrechen eines Zylinders von außen wäre ein guter Weg, um keine Spuren zu überlagern. Werden die Schließzylinder jedoch mit Lockpicking-Werkzeugen bearbeitet oder gefräst, gebohrt sowie nach dem Eindrehen einer Schraube gezogen, lässt sich keine Aufklärung mehr vornehmen.
Außerdem sollten abgebrochene oder gezogene Teile des Zylinders am Tatort verbleiben, damit anschließend darauf zugegriffen werden kann.

Abschließend möchte ich noch ein weiteres Beispiel beschreiben, das sich aber mit dem Löscheinsatz an sich befasst:


Beispiel 3Brand in einem großen Produktionsbetrieb

Einige blechverkleidete Hallen des Betriebes standen beim Eintreffen der Feuerwehr im Vollbrand. Im Zuge der Brandbekämpfung wurde ein Bagger hinzugezogen. Dieser entnahm Wandelemente, um Wasser in das Innere der Halle bringen zu können. In den herausgezogenen Wandteilen befanden sich Fenster und eines davon unmittelbar zu einem möglichen Brandausbruchsbereich. Bei den weiteren Arbeiten fuhr der Bagger mehrere Male hin und zurück über dieses Fenster, so dass nur noch kleine Teile des Fensters zurückblieben. Eine Aufklärung des gesamten Schadenhergangs war daher leider nicht mehr möglich.
Das Problem dabei war, dass der Schadenumfang mit ca. 50 Millionen Euro extrem hoch war.
(Bild mit dem Bagger) Dieses Beispiel lässt sich z.B. durchaus auch auf ein Einfamilienhaus übertragen. Sicherlich kritisiere ich in diesem Beispiel Abläufe, die akut und zeitnah entschieden werden. Ich kenne mich auch nicht mit Löschtaktiken aus, aber ich möchte in dem Zusammenhang zumindest darauf hinweisen, dass für die Untersuchungen und Ermittlungen an einem solchen Brandobjekt durch den Einsatz eines Baggers in den meisten Fällen eine Vernichtung von Spuren stattfindet. Der Einsatz eines Baggers sollte deshalb unbedingt im Beisein oder zumindest in Abstimmung mit den Kriminaltechniker / KTU und/ oder Brandursachenermittlern erfolgen.
Gibt es in solchen Fällen nicht vielleicht andere Möglichkeiten, sofern keine weiteren Gebäude oder Personen der Gefahr weiterer Schäden ausgesetzt werden müssen?

Gerne lasse ich mich belehren, warum es nicht anders geht, oder stehe auch gerne für einen weiteren Austausch zur Verfügung.



Autor:

Diplom Physiker Sebastian Kuhl



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