Selbstentzündung

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gepflegtes Holz (mit Öl oder Wachs) ist nicht nur etwas für das Auge, sondern auch etwas für die Haltbarkeit.
Aber Leinöl neigt zur Selbstentzündung, wenn es auf einer großen Oberfläche verteilt ist.
Foto: Rainer Schwarz

Eine Selbstentzündung (SEZ) ist eine auf eine Selbsterwärmung folgende Zündung ohne Energiezufuhr von außen, bei der die Zündenergie ausschließlich durch die bei niedrigen Umgebungstemperaturen (atmosphärische Bedingungen im Temperaturfeld) in dem betrachteten Stoffsystem ablaufenden exothermen, chemischen, biologischen oder physikalischen Prozessen erzeugt wird.
Quelle: Schildhauer, P.: "Selbstentzündung ungesättigter Pflanzenöle auf saugfähigen Trägerstoffen; erschienen in der Reihe Wuppertaler Berichte zum Brand- und Explosionsschutz, Bd. 1, VdS-Verlag, Köln 2001


Rasenschnitt entzündete sich in einer Biotonne
Bielefeld: Am 03.07.2010, um 12.20 Uhr, entdeckte die Mieterin eines Einfamilienhauses an der Straße "Am Bredenbusch" schwarzen Rauch und alarmierte die Feuerwehr. Eine an der Hauswand abgestellte Biotonne hatte Feuer gefangen. Vermutlich hatte sich, aufgrund des heißen Sommerwetters (36° Grad Celsius), in der Tonne befindlicher Rasenschnitt selbst entzündet. Durch die schnelle Brandentdeckung könnte ein Übergreifen des Feuers auf das Wohnhaus verhindert werden. Es entstand ein Sachschaden in Höhe von ca. 5000,- Euro. Personen wurden nicht verletzt. (MKu.)


Wenn Jemand mit dem Begriff der Selbstentzündung zu tun hat, wird es den meisten Leuten wie ein Buch mit sieben Siegeln vorkommen. Wurde ein Brand beispielsweise absichtlich mittels Feuerzeug oder fahrlässig mit einem Schweißbrenner verursacht, kann sich Jeder etwas darunter vorstellen. Wenn sich aber ein Stoff oder eine Flüssigkeit von selbst entzündet, ist es für die Allgemeinheit meist schwer vorstellbar, wie das von statten gehen kann. Wer in der Landwirtschaft tätig ist oder einen Garten hat, der hat sicherlich schon einmal festgestellt, dass frisch gemähtes Gras, welches auf einem Haufen liegt, nach einiger Zeit ziemlich warm, ja sogar heiß wird. Das sind bereits Selbsterwärmungsprozesse, ohne Zutun eines „Brandstifters“. Die Übeltäter sind in diesem Fall Mikroorganismen und es können Temperaturen von 50 - 60°C erreicht werden.
Selbstentzündungsprozesse sind im polizeilichen Alltag in der Brandsachbearbeitung eher selten vertreten, sollten einem Brandursachenermittler jedoch nicht fremd sein. Es kann aber durchaus desöfteren vorkommen, dass sich bestimmte Materialien oder Lagergüter von selbst erwärmen oder erhitzen. Längst nicht immer muss es hierbei zu einem Brand kommen. Die Einflussfaktoren sind sehr vielfältig. Wenn in so einem brennbaren System (brennbarer Stoff und Oxidationsmittel), wie z. B. eine Miete aus Heuballen, Wärme entsteht und eine ausreichende Belüftung besteht, passiert nichts.

Als Faustregel kann gelten: Wenn mehr Wärme abgeführt werden kann, wie produziert wird, kommt es zu keinem Brand.

Selbsterwärmungen sind komplizierte und komplexe chemische Prozesse. Wer sich hiermit näher beschäftigen möchte, kann sich in diverser Fachliteratur oder Publikationen kundig machen, so z. B. von Peter Schildhauer oder auch Literatur vom Autor dieses Artikels.

Selbstentzündung von Holz Die Selbsterwärmung von Holz beginnt tatsächlich erst bei Temperaturen von 130-150 °C. Treten dann noch die Bedingungen eines Wärmestaus hinzu, entzündet sich das Holz. Da die Selbsterwärmung unterhalb des Zündpunktes beginnt, muss das Holz zu den Stoffen gezählt werden, welches selbstentzündlich ist.
Bei einer Dauerbelastung von über 80 °C setzt bereits ein Zersetzungsprozess ein, bei dem Holzkohle entsteht. Während der fortlaufenden Zersetzung bei weiterer Temperaturerhöhung nimmt der Gehalt an Kohlenstoff zu und die Wasserstoff- und Sauerstoffkonzentration nehmen ab. Zwangsläufig erhöht sich die Porosität des Holzes. Die Holzoberfläche, die mit dem Luft-O2 in Berührung kommen kann, vergrößert sich. Der Porenraum des Holzes liegt jetzt etwa bei 80 %. Im Temperaturbereich 230 - 270 °C setzt die Bildung der Holzkohle ein, welche Gase problemlos adsorbieren kann und dadurch leicht oxidierbar ist. Unter diesen Voraussetzungen kann es zu spontanen Temperaturerhöhungen kommen, die eine Selbstentzündung nach sich zieht.
Holz kann sich auch durch mikrobiologische Vorgänge von selbst entzünden, wie bei feuchten Sägespänen. Diese Vorgänge laufen ähnlich ab, wie bei Heu und Stroh, denn durch vorhandene Feuchtigkeit finden die Mikroben günstige Lebensbedingungen vor. Durch die Lebenstätigkeit der Mikroorganismen wird Wärme entwickelt, die die Sägespäne auf ca. 60 - 70 °C erhitzen kann. Der weitere Verlauf der Erwärmung bis hin zur Entzündung der Späne bzw. des Holzes ist dem bei anderen pflanzlichen Produkten ähnlich. Verunreinigungen (z.B. Pflegeöle) im Holzmaterial können zu einer katalytischen Wirkung führen.
Die geschilderten Prozesse können sich über sehr lange Zeiträume (Monate bis Jahre) hinziehen, je nachdem ob und mit welcher Konzentration Sauerstoff hinzutreten kann. Bei in Schornsteinen versteckten Balken (durch falsche Konstruktion) kann es sehr lange dauern, bis der Balken so weit verkohlt ist, bis eine „freie Stelle“ erreicht wird. Tritt jetzt genügend Sauerstoff hinzu, kann die Brandentwicklung mit zunehmender Geschwindigkeit voranschreiten. Der vorige Schwelbrand kann außerhalb der Heizsaison wieder verlöschen. Wenn wieder geheizt wird, kann der Prozess von neuem beginnen. Unter Umständen wird dieser ungewollte Schwelbrand nicht wahrgenommen, da dieser erstens baulich verdeckt ist und die Schwelgase zweitens über den Schornstein abziehen können.

Selbstentzündung von Getreide; Fotos: Thomas Schulz, Magdeburg
Es kam zu einer Selbstentzündung durch einen biologischen Prozess im Inneren des Getreides.
Mehrere Hundert Tonnen Getreide mussten aus der Lagerhalle gebracht werden.



Selbstentzündung von Heu

Der Prozess einer Heuselbstentzündung, der sich in wenigen Wochen entwickelt, kann vereinfacht wie folgt dargestellt werden:
- wenn das Heu eine Feuchte von über 17 % aufweist, enthält es Mikroorganismen, die Wärme produzieren
- wenn die produzierte W]]ärme nicht ausreichend abgeführt werden kann, verstärkt sich dieser Prozess über mehrere Stufen
- andere Mikroorganismen werden aktiv, während die vorigen absterben; es wird weiter Wärme produziert, die die chemische Struktur des Heu’s verändert
- die Wärmeentwicklung reicht soweit, dass Selbstentzündungstemperaturen des schon veränderten Heu’s (poröse Holzkohle) erreicht werden
- bei nicht erfolgten Gegenmaßnahmen und Luftzutritt erfolgt die meist schlagartige Zündung des Lagergutes

Selbstentzündung von Recyclingmaterial
Auf Grund einer Häufung von Bränden in Recyclinganlagen, Wertstoffhöfen und Deponien, gab es in einigen Bundesländern Bestrebungen diese Vorkommnisse näher zu untersuchen. Aus dem Resultat dieser Untersuchungen kann geschlussfolgert werden, dass Selbstentzündungsprozesse hier nicht ausgeschlossen sind. In der Regel finden sich auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte für vorsätzliche Handlungen. Meistens sind solche Deponien auch umzäunt und bewacht. Der genaue Hergang dieser Prozesse ist noch nicht hinreichend erforscht. Es können sowohl biologische, aber auch chemische Prozesse, wie oben schon beschrieben, die entscheidende Rolle spielen. Beim Recyceln von Hausmüll ist eine riesige Palette verschiedenster Stoffe vorhanden.
Lebensmittelverunreinigungen können Mikroorganismen Nährboden geben oder aber auch Reaktionen mit Sauerstoff hervorrufen. In beiden Fällen wird hier Wärme in unterschiedlicher Quantität freigesetzt.

Selbstentzündung von Chemikalien
In einer weiteren Gruppe, in der die Selbstentzündung erläutert werden soll, geht es allgemein um Chemikalien. Im Jahre 2017 waren 135 Millionen Chemikalien, Stoffe, Gemische usw. registriert, von denen eine Unmenge unter bestimmten Voraussetzungen und Konstellationen Wärme produziert. Es würde den Rahmen dieser Abhandlung sprengen, wenn auch nur annähernd auf alle Reaktionen eingegangen würde.
Es werden grundsätzlich drei verschiedene Reaktionsgruppen unterschieden, während es auch zu Überschneidungen kommen kann:
1. Stoffe, die bei der Berührung mit Luft Wärme entwickeln oder sich selbst entzünden,
2. Stoffe, die bei der Einwirkung von Wasser Wärme entwickeln oder sich selbst entzünden,
3. Stoffe, die durch gegenseitige Vermischung Wärme produzieren oder sich selbst entzünden

1. Gruppe:
Die Stoffe, welche dieser Gruppe zugeordnet werden können, werden vom Luftsauerstoff heftig oxidiert, wobei eine bestimmte Wärmemenge entwickelt wird. Dieser Prozess kann bis zur Selbstentzündung führen. Unter den Metallen gibt es einige, die mit dem Sauerstoff so exorbitant reagieren, dass in kürzester Zeit an der Luft eine spontane Entzündung erfolgt und die Verbrennung unter Feuererscheinung abläuft. Die meisten Metalle sind nur in Pulverform selbstentzündlich, außer Rubidium und Cäsium.
2. Gruppe:
Viele Chemikalien reagieren beim Kontakt mit Feuchtigkeit oder Wasser (H2O) unter Abgabe von Wärme. Von besonderem Interesse sollen hier die Stoffe sein, welche mit Wasser besonders heftig reagieren, sodass es zu Entzündungen kommt. Zu diesen zählen u. a. Natrium, Rubidium, Kalium, Cäsium und deren Karbide und Hydride.
3. Gruppe:
Zur 3. Gruppe gehören Oxidationsmittel aller Aggregatzustände wie z. B. Sauerstoff unter Druckeinwirkung, Chlor, Brom, Fluor, Salpetersäure, Bleioxid, Natrium- und Bariumperoxid, Kaliumpermanganat, Nitrate und Chlorate. Die angeführten Oxidationsmittel sind in der Lage, die meisten organischen Stoffe bei Kontakt oder Vermischung zur Entzündung zu bringen.
Einige dieser Gemische können allerdings nur durch Zugabe von Schwefel- oder Salpetersäure oder durch Schlag, Stoß oder geringe Wärmezufuhr entzündet werden.
In der Chemie sind noch weitere starke Oxidationsmittel wie die Halogene (Fluor, Chlor, Brom und Jod) bekannt, welche mit den unterschiedlichsten Stoffen sehr heftig reagieren. Bei diesen Reaktionen wird wiederum so viel Wärme entwickelt, dass es zur Entzündung des jeweiligen Stoffes kommt.
Beim Einwirken einer starken Lichtquelle entzünden sich Gemische von Azetylen, Wasserstoff, Methan und Äthylen mit Chlor. Die Metalle Kalium, Natrium, Eisen¬watte, Zink, Magnesium, Aluminiumdraht und weitere Metalle sind im Chlor, Brom oder Fluor nach einer geringen Erwärmung selbstentzündlich.


Wie kann man Brände durch Selbstentzündungen vermeiden?
1. bei größeren Lagermengen bestimmter Materialien Lagerbedingungen anpassen
2. Temperaturüberwachung
3. Sauerstoffreduzierung
4. ausreichende Belüftung
5. technische Regeln (branchenabhängig) und Gebrauchsanleitungen beachten
6. sauerstoffführende Armaturen frei von Ölen und Fetten halten
7. Putzlappen mit Leinöl nur in Metallbehälter aufbewahren oder eben auf einem nicht brennbaren Boden ausbreiten


Fotos: Rainer Schwarz



Selbstentzündungsgefahr in der Gebrauchsanleitung vermerkt
Fotos: Rainer Schwarz
wie auch hier
siehe Bedienungsanleitung bei diesem Hartöl


siehe auch:





siehe auch Artikel:




Die in diversen Publikationen gelegentlich angeführte spontane menschliche Selbstentzündung (auch engl. SHC-spontaneous human combustion) ist nicht nur schlechthin unwissenschaftlich, sondern ein derartiger Reaktionsablauf existiert ganz einfach nicht.


Autor: Ing. Jörg Cicha

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